Das hat er noch nie gemacht!

Eigentlich sollte Rex vorauslaufen. Das ist die letzte Übung der Abteilung B im IGP-Sport. Im Training klappt das immer perfekt: schnell und schnurgerade. Am Prüfungstag biegt Rex plötzlich zu den Hölzern ab. Jeder Hundesportler wird es kennen. Aber warum ist das so? Nun, eine Prüfung ist eben kein Training und einer der häufigsten Gründe ist die fehlende Generalisierung in diesem. Was erstmal so einfach klingt, entpuppt sich häufig als komplexe Herausforderung für Mensch und Hund. 

 

Man muss das Lernverhalten von Hunden verstehen, um eine effektive Generalisierung in seinen Trainingsplan einzubauen.

 

 

Nur nicht ablenken lassen

Schauen wir uns den Begriff der Generalisierung einmal näher an, so zeigt bereits der Begriff, dass es darum geht, ein Verhalten generell zeigen zu können. Aus Hundesicht also unter sich verändernden Rahmenbedingungen. Denn der Hund muss im Hundesport nicht nur die jeweilige Übung nach Angaben der Prüfungsordnung kennen und vorführen können, sondern dieses Können auch unter allen Ablenkungen der Prüfung fehlerfrei vorzeigen. Ob das Prüfungsgelände zum Beispiel direkt an einer viel befahrenen Straße ist oder ob neben dem Hundeplatz einige Schafe gemütlich grasen, ob viele oder wenig Zuschauer da sind, die sich vielleicht laut unterhalten oder ob gerade Würstchen auf dem Grill brutzeln. Der Hund muss in der Lage sein, diese vielen ungewohnten Reize auszublenden und sich auf die Übung zu konzentrieren.

 

Christiane Rohn

Hunde lernen sehr ortsgebunden

Dazu muss man wissen, dass Hunde sehr ortsgebunden lernen und Gelerntes nicht automatisch in andere Situationen übertragen. Um das leisten zu können, benötigt der Hund „die Kenntnis und das Können der einzelnen Teilschritte der Übung, das Gesamtbild der Übung, das Ankündigungswort, die Konzentrationsfähigkeit auf das Wesentliche und das eigenmotivierte Durchhaltevermögen“, erklärt Christiane Rohn, Kommunikationsexpertin für Hunde, die Komplexität der Generalisierung. „Das ist eine riesige Herausforderung für den Menschen als Erklärenden, denn erst durch die Generalisierung erkennen wir, ob unser Hund verstanden hat, was wir erklären wollten und ob er das Erklärte in jeder Situation selbstbewusst ausführen kann“, so Rohn weiter. 

 Schnell wird also klar, warum die Generalisierung in der Hundeausbildung, insbesondere im Hundesport, so eine große Bedeutung hat oder besser gesagt, haben sollte. Denn allzu oft wird dem Thema Generalisierung im Training noch zu wenig Beachtung geschenkt und dann fällt eben nach einer Prüfung der Satz „Komisch, im Training kann er das!“. 

 

Fehlende Generalisierung kann Punkte kosten

Wenn ich als Hundesportler nun erkannt habe, wie sehr dieses Thema über meinen Erfolg oder Misserfolg im Turnier entscheiden kann, dann stellt sich schnell die Frage: Wie fange ich am besten an? 

fehlerhafte Bringholzaufnahme„Zuerst sollte man die eigene Wahrnehmung schulen“, so Rohn. „Denn Hunde nehmen nicht nur unsere Erklärwege auf, sondern erleben zeitgleich auch unsere unbewussten Empfindungen und die damit verbundenen körpersprachlichen Ausdrucksweisen, unseren Tonfall, die Emotionen und vieles mehr“, Christiane Rohn weiter. Wir wissen also niemals, was der Hund wirklich bewusst empfindet, wahrnimmt und mit der Übung verknüpft. Denn die Generalisierung ist ständig vorhanden und wir wissen nicht, was der Hund wirklich alles verallgemeinert im Training. Das ist übrigens bei uns Menschen nicht anders. Zum besseren Verständnis ein kleines Beispiel:

Wenn wir beispielsweise immer mit unserem Trainer auf dem Platz üben und an einer Prüfung steht der Trainer am Rand, könnte es passieren, dass uns unser Hund über die ganze Prüfung hinweg darauf aufmerksam machen möchte, dass der Trainer noch nicht da ist, sich nicht auf den Platz traut oder wir zu früh gestartet sind. Hunde denken genauso mit, wie wir Menschen. Sie suchen einen Sinn in Handlungen und sie verknüpfen Erklärtes so wie wir auch. Für den Hund ist es eine Choreografie zu dritt, die so erklärt, jedoch plötzlich geändert wurde.“

     

Die richtige Dosierung ist entscheidend

Daher sollten diese Veränderungen im Training sehr dosiert und auf den jeweiligen Hund angepasst durchgeführt werden. Die Grundlage einer guten Generalisierungsfähigkeit ist eine angepasste und perfekte Balance zwischen zu wenigen und zu vielen Reizen, einer angemessenen Steigerung unter der Berücksichtigung, dass der Hund das Gelernte auch verarbeiten muss.

Das ist für den Menschen nicht immer leicht zu erkennen. Wichtig ist vor allem, dass man nicht den Hund für ein falsches Verhalten verantwortlich macht. Denn oft schauen wir nicht richtig hin, wenn unser Hund eine Übung in der Prüfung nicht korrekt ausführt. Nehmen wir an, unser Hund ist ein ruhiges Trainingsgelände gewöhnt und eine Prüfung findet auf einem Gelände an einer viel befahrenen Straße statt. Dann kann der Lärm, die schnellen Bewegungsreize der vorbeifahrenden Autos, verbunden mit unserer Prüfungs-Anspannung viele Gründe für Missverständnisse auslösen. Der Hund kann in den Autos die Ursache für unsere Anspannung erleben und sich daher eher auf unsere Verteidigung konzentrieren, er kann durch die erhöhte Konzentration, verursacht durch den Lärm und das erschwerte Hören, schneller müde oder durch die stressbedingte Gesamtsituation reizempfindlich werden. Für uns Menschen scheint der Hund kein Problem mit der Straße zu haben, denn er reagiert ja nicht direkt auf die vorbeifahrenden Autos. Aber dieser zusätzliche Stress kann sich darin zeigen, dass der Hund zum Ende der Prüfung mehr Fehler macht, weil er erschöpft ist. Wenn der Mensch dann auch noch auf das hilfesuchende Verhalten des Hundes keine passenden Reaktionen zeigt, weil er dies ja gar nicht wahrnimmt, kann das zu extremen Verhaltensäußerungen führen, die wiederum vom Menschen unverständlich empfunden werden.

 

Ein PRAXISTIPP!

Christiane Rohn hat dazu einen Tipp! „Je nach Eigenentwicklung des Hundes fördere ich Hunde in der Kommunikationsfähigkeit, der Stressbewältigung, der Wahrnehmungs- und Konzentrationsfähigkeit, im Selbstbewusstsein und in der Eigenmotivation. Ich schule mich jedoch ebenso in allen Bereichen, denn es nützt nichts, wenn nur der Hund die Nerven in schwierigen Situationen behalten kann und ich durch meine Anspannung für eine Vielzahl von Missverständnissen sorge. Ich baue möglichst Abwechslung, die jedoch auf keinen Fall belastend ist, in mein Training ein, sodass meinem Hund klar werden kann, was nichts mit der eigentlichen Übung zu tun hat und egal wo ausgeblendet werden kann. 

 

Ablenken g kann vielfältig seinDie gute Verständigung ist die wichtigste Grundlage und deshalb versuche ich möglichst viel Feedback von meinen Hunden zu erhalten, um zu wissen, was von ihnen verstanden wurde. Das Verknüpfen, Ausblenden, Verallgemeinern, Zusammenhänge begreifen und das Wissen und Können der Abläufe ist für Mensch und Hund gleichermaßen wichtig. Mein größter Tipp ist, Hunden ein Mitspracherecht zu geben, ihnen zuzuhören und mit ihnen gemeinsam Lösungswege zu finden. Dann können Hunde sich sehr gut auf jede Veränderung einstellen, denn sie haben die Möglichkeit auszusprechen, was sie nicht verstehen, wovor sie Angst haben und auch eigene Ideen mit einzubringen.“

 

Kein Training ohne Generalisierung

Klar ist also: Generalisierung findet immer statt: Ob wir wollen oder nicht. Denn wir trainieren nie in einer Laborsituation, sondern immer „im echten Leben“. Daher müssen wir immer wieder hinterfragen, was genau der Hund in diesem Moment wahrnimmt, welche Teilschritte der Übung er versteht und wie viel Ablenkung er bewältigen kann. Zudem sollten wir unsere Sinne schärfen, um besser sehen und verstehen zu können. Und beim nächsten Turnier vielleicht nicht denken „Komisch, im Training kann er das!“, sondern eher „Was hat dafür gesorgt, dass mein Hund diese Übung nicht korrekt ausführen konnte. Und vor allem: Wie kann ich meinen Hund besser auf solche Situationen vorbereiten…?“

Für das Training mit Rex werden die Sprunggeräte und der Apportierholzständer jetzt immer mal anders gestellt. Dann läuft's auch wieder schnell und schnurgerade. Und der Eindruck der letzten Übung ist ja schließlich auch wichtig! 

 

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