MONDIORING - Sport für kreative Kynologen

 

Berta steht neben etwas Undefinierbarem. Sie weiß nicht, was das sein soll. Wertvoll sieht´s nicht aus. Sie weiß aber, dass Egon von ihr verlangt, dass sie drauf aufpasst. Egon ist weggegangen. Auf dem Boden sind zwei Kreise mit zwei und fünf Meter Radius, in der Mitte steht nun sie und wartet auf den Spielbeginn. Ihr erster Spielgegner ist Max. Berta hat gelernt, dass sie Max erst „beißen“ darf, wenn der den inneren Kreis betritt. Verlässt er diesen wieder, wünscht Herrchen ein selbstständiges Ablassen und eine Rückkehr zum Objekt. Volle Konzentration ist verlangt. Sie muss Max extrem gut beobachten, auch die Linien und das Fantasieding im Auge behalten. Es gilt gute Nerven zu zeigen und Eigeninitiative in der „Entscheidungsfindung“. Max wird versuchen, ihr das Ding abspenstig zu machen, sie so zu provozieren, dass sie schon vor dem Betreten des inneren Radius die Kontrolle verliert und losrumpelt. Das würde Punktabzug bedeuten und Egon wäre enttäuscht.

Jeder Zuschauer, der dieses Spektakel mal erlebt hat, wird erstaunt sein, zu was ein Hund eigentlich alles in der Lage ist. Mondioring kitzelt die kognitiven Fähigkeiten unserer Vierbeiner mehr heraus als die meisten anderen Sportarten und ist deshalb nicht zu Unrecht der Sport für kreative Tüftler mit kynologisch wertigem Wissen. Traurig ist eigentlich nur, dass in der Gesellschaft solche sinnvollen, hochkomplexen Beschäftigungen mit dem Hund nicht wertgeschätzt werden. Natürlich geht es im Hundesport auch immer um menschlich-sportlichen Ehrgeiz, aber den Hund seinen Anlagen und seinem Leistungsvermögen entsprechend zu beschäftigen und zu fördern, gehört für viele Experten zur artgerechten Haltung. Hunde, denen das nicht vergönnt ist, können auffällig werden. Die Folge sind Beanstandungen aus der Öffentlichkeit, die dann nicht selten fälschlicherweise auch noch verallgemeinert werden. Alle Hunde sind dann wieder „böse“ und besonders die, die Gebrauchshundesport machen.

Fragt man in der gewöhnlichen „Nachbarschaft“ nach dem Begriff „Gebrauchshundesport“, so hört man leider immer noch fast ausschließlich, dass diese aggressiv machende Arbeit unsere Hunde schärft und für Privatleute verboten gehört. Der Sinn im „Beißen“ des Homme d´Attaque wird nicht erkannt. Auch, weil man sich nicht damit beschäftigen will. Leider! Gebrauchshundesport ist also in der heutigen Gesellschaft völlig überflüssig! Nun ja, das könnte man ja auch auf Boxen und andere Kampfsportarten, die sogar olympisch sind,  übertragen. Eigentlich!

Und so ist es wie immer im Leben: es gibt Experten und es gibt Experten. Die einen sagen so, die anderen so. Am Ende sind leider viele Ansichten und Meinungen immer auf Unwissenheit begründet, haben sich über Medien und/oder Hörensagen gebildet. Unangepasste Fakten aus langer Vergangenheit und eigenes Halbwissen sitzen tief. Eigene Erfahrungen: Fehlanzeige.

Spätestens aber seit ein Border Collie auf höchster FCI-Ebene mit Schäferhunden konkurrierte, sollte zumindest jedem der Hundesportszene klar geworden sein, dass Gebrauchshundesport sich verändert hat, moderner geworden ist und auch vielfältiger und rasseoffener.

Nun, Mondioring ist auch Gebrauchshundesport, wird also in die existierende öffentliche Meinung einbezogen. Wenn die jetzt wüsste, wie komplex und anspruchsvoll die Ausbildung ist, dass die Hunde physisch und mental Hochleistungssport betreiben und aufgrund der Rundum-Auslastung es gar nicht nötig haben, gesellschaftlich auffällig zu werden, dann könnte die gewöhnliche „Nachbarschaft“ vielleicht auch antworten, dass dies ein Hundesport für die Sportler ist, die sich für ihren Hund weder Leine noch Halsband leisten können. Aber das setzt ja Wissen voraus. ;-)

Für wen ist Mondioring eigentlich was?

Sicher nicht für jederMann und jederHund! Das Nicht-für-jederMann bezieht sich eher auf persönliche Vorlieben im Hundesport. Möchte man mehr „physisch“ oder mehr „mental“ mit seinem Vierbeiner „Sport“ machen? Hundeführer, die selbst gern auch aktiv an sportliche Grenzen kommen, laufen lieber mit dem Hund durch den Wald, einen Parcours oder hüpfen gemeinsam mit ihm über Hindernisse. Im Mondioring ist der Hundeführer sportlich eher passiv – das ist nicht jedermanns Sache.

Der Mensch konkurriert auch gern mit anderen und misst sich. Es gibt Hundesportarten, in denen man deutlich schneller Wettkampftauglichkeit erreicht und „mitmischen“ kann. Ich denke da an Zughundesport, Agility, THS und Rally Obedience, in denen Beginnerklassen und Einzeldisziplinen schon ein Beschnuppern der Konkurrenz zulassen. Die Komplexität einiger Übungen im Mondioring aber macht die Ausbildung aufwendig und langwierig. Ohne fundiertes kynologisches Fachwissen geht nicht viel, der Hundeführer braucht Geduld, Ausdauer und muss auch für intensive Teamarbeit offen sein. Wer schnell Prüfungen oder Turniere laufen will, ist hier verkehrt. 

Das Nicht-für-jederHund bezieht sich auf die sehr hohen Anforderungen. Mondioring ist eine Art Circle“training“ auf geschlossenem Spielfeld. Es gibt drei Disziplinen. Die Übungen der Unterordnung kennt man auch aus anderen Sportarten. Futterverweigerung, Apportieren, Freifolgen, Distanzkontrolle, Abliegen unter Ablenkung oder Voraussenden, folglich könnte, separat betrachtet, jeder Hund Mondioring machen. Aber auch Obedience, Rally Obedience und Co., denn die Prüfungsebene kann nur mit diesen Übungen nicht erreicht werden. Die Kombination mit den anderen beiden Disziplinen Sprünge und Schutzdienst macht Mondioring aus. Und die Letztgenannte ist nun mal die Bedeutendste, in der 65% der zu erreichenden Punkte vergeben werden. „Grundsätzlich ist mit jeder mittelgroßen Gebrauchshunderasse Mondioring möglich.“ Das sagte mir der Schweizer Patrik Corpataux, mehrfacher Teilnehmer der WM und Richter der FMBB 2017. Er hat in den Kategorien 1 und 2  auch schon Border Collie, Bouviers und Boxer gesehen. Sogar einen Weimaraner als Exoten. „In der Kategorie 3 selektieren die Sprünge extrem und deshalb sieht man hier meist Schäferhunde: Belgische, Holländische und Deutsche. Aber auch Rottweiler.“ Schon allein körperlich wären Sheltie, Pudel & Co. gar nicht in der Lage, die Disziplin Schutzdienst oder die Sprünge zu absolvieren. Dann kommen in der 3er-Kategorie 18 Übungen zusammen, die auch mal eine Stunde für die Abarbeitung brauchen. Der Hund hat also sehr lange konzentriert zu bleiben. Mental ist dem gar nicht jeder gewachsen. 

Sprungübungen im Mondioring

Wie muss ein Mondioringhund sein?

Gesund! Gesundheit setze ich mal für jeden Sporthund, egal in welchem Bereich aktiv, voraus. Für das Mondioring gelten vielleicht aber noch höhere Ansprüche, schon wegen der Sprünge und ihrer Mindestanforderungen. Es gibt drei Sprunggeräte: Hochsprung, Weitsprung und Pallisade (Steilwand). In Kategorie 1 braucht der Hund nur einen Sprung nach Wahl des Hundeführers absolvieren. In der Kategorie 2 ist die Pallisade Pflicht, ein weiterer frei wählbar und in der Königsklasse sind alle drei Geräte im Programm. 

Ein selbstbewusstes, sicheres Wesen, gute Nerven und eine hohe Belastbarkeit braucht der Vierbeiner ebenfalls in anderen Sportarten. Haben Sheltie und Border Collie diese Eigenschaften nicht, werden sie sehr wahrscheinlich mit dem vielen Trubel rund um ein Agilityevent auch nicht in der Lage sein, ihr möglicherweise herausstechendes Können konzentriert abzurufen. Im Mondioring braucht es zusätzlich Unerschrockenheit, überdurchschnittliche Triebstärke und eine großzügige Anlage des Beuteverhaltens. In Kombination mit Intelligenz, Reaktionsschnelligkeit, guter Beobachtungsgabe und der Fähigkeit zu selbstständigen Handlungen und eigenen Entscheidungen bei trotzdem absolutem Gehorsam – wird ein Mondioringhund zu etwas Besonderem. Und mal ganz ehrlich: Kann das schlecht sein?

Außerdem hat ein Mondioring-Hund nacheinander erst alle Übungen der Unterordnung zu absolvieren, dann alle Sprünge und die Schutzdienstelemente. Pausen, wie in anderen Sportarten gibt es nicht. Wie lang so ein Programm dauern kann, habe ich schon erwähnt. Geistige Fitness und Kondition sind also unverzichtbar.

Die zwei Fluchtübungen im Mondioring

Varianz und Komplexität

sind unvergleichlich mit anderen Hundesportarten. Die Reihenfolge der Teilübungen innerhalb der Disziplinen ist jedes Mal anders, wird jeweils vom Leistungsrichter bestimmt. Außerdem sind die Übungsaufbauten absolut der Kreativität des ausrichtenden Vereins überlassen. Das bedeutet, der Hund wird jedes Mal erneut mit Unbekanntem konfrontiert. Das verlangt Flexibilität. Der Hund braucht Ideen, wenn der Gegenstand, den er zu apportieren hat, schlecht greifbar ist oder der Helfer mit komischem Zeugs in der Abwehr steht. Übungen, wie das beschriebene Gegenstandsbewachen oder die Hundeführerverteidigung, in der sogar gleich zwei Helfer gleichzeitig permanent provozieren, zeigen, was der Hund zu leisten hat. In letztgenannter Übung muss er sich neutral verhalten und darf erst beißen, wenn einer der beiden Helfer mit beiden Händen an den Hundeführer geht. Schwierige und stressige Übung, wenn man bedenkt, dass eine Hand am Hundeführer zu nichts führen darf und trotzdem vier Hände zu beobachten sind. Und als wäre das nicht schon komplex genug, dürfen zur Provokation auch noch Drittpersonen vom Helfer „angegriffen“ werden oder untereinander streiten und so für Aufregung sorgen. Nur beim Angriff hat der Hund sofort zu packen und bis zum Aus-Kommando mit dem Homme d´Attaque zu “kämpfen“. Danach muss er fünf Sekunden bewachen und wird dann vom Hundeführer zurückgerufen. Sämtliche Kommandos oder Hilfen sind bis zum Abruf nicht erlaubt. Der Hund ist auf sich gestellt.

Die Sache mit dem Homme d´Attaque?

Ist ganz anders als es scheint! 

Allen kritischen „Nachbarn“ sei nochmal explizit gesagt: Mondioring nutzt ausschließlich das Beuteverhalten! Wehr- oder Selbstverteidigungsverhalten werden nicht gefördert. Der Homme d´Attaque, wie der Helfer hier offiziell heißt, löst diese nie aus. Es gibt keine Schläge oder sonstige existenzbedrohende Aktionen. „Scharfmachen“ und „Zivilbeißen“ ist Quatsch!

Eigentlich stellt der „Zweikampf“ ein mehr oder weniger passives Beutespiel dar. Anders als im IGP-Sport wird der Hund nach dem Ablassen immer vom Hundeführer bestätigt. Mit einer Beißwurst zum Beispiel. Im IGP wird dem Hund auch schon mal der Schutzarm als Beute überlassen, d.h. die Bestätigung erfolgt direkt durch den Helfer. Das kann natürlich auch eher mal zu Aggression führen, obwohl auch in diesem Sport dies meist eher eine Beuteaggression ist, die sogar gewünscht wird. 

Es gibt im Mondioring kein Schema, aber ganz klare Regeln und es geht eigentlich um eine sportliche Auseinandersetzung, ein Spiel, in dem beide Spielpartner versuchen, den anderen zu schlagen.

Der Helfer versucht, den Hund auszutricksen und zu provozieren. Der Hund braucht Eigeninitiative und Intelligenz, um das Spiel zu gewinnen. D.h. er muss selbstständig einschätzen lernen, sich beherrschen und darf keinesfalls zu temperamentvoll drauflos stürzen.

In Übungen, in denen der Hund vom Helfer am Beißen gehindert werden soll, verwendet dieser einen Stock oder andere Gegenstände. Kommt der Hund nicht gleich zum Anbiss, darf der Helfer alles tun (außer schlagen und treten), um ihn vom Beißen abzuhalten. Je länger das dauert, desto mehr Punkte gehen verloren und das sind je nach Kategorie zwei bis drei pro Sekunde.

Die Übungen „Angriff von vorne mit Gegenständen“ und „... mit Stock) sind die beiden „teuersten“ Übungen in der Disziplin „Schutzdienst“ und machen zusammen ein Viertel aller zu erreichenden Punkte des gesamten Kategorie 3-Programms aus. Im 1er sind es sogar 50%. Bei den Transporten zählen die Meter, die der Helfer bei einem Fluchtversuch schafft, bevor der Hund beißt. Das verlangt Schnelligkeit und einen Trick, der das Überraschungsmoment zugunsten des Helfers auslegt. Pro Meter verliert der Hund einen Punkt. Es lohnt sich also aufzupassen!

Schaut man auf die Herausforderung der genannten Übungen, dann wird der Gegenspieler-Charakter und der Wettkampf zwischen Hund und Mensch mehr als deutlich. Und genau darum geht´s im Mondioring!

Homme dÀttaque

 

Berta hat das Ding perfekt bewacht. Max hatte auf „nett“ gemacht, ihr gut zugesprochen und sie „vollgeschleimt“. Naja, darauf fällt sie schon lange nicht mehr rein. Nach zwei erfolglosen Diebstahlversuchen hat er dann seinen Kumpel Nils geschickt, der doch tatsächlich meinte, mit einer Wasserflasche könne man sie beeindrucken. Lächerlich. Egon hat gesagt, dass er stolz auf sie ist. Fühlt sich gut an.

 

 

 

 

 

 

 

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