Den Hundesport auch künftig erhalten
Seit der Domestizierung des Hundes vor etwa 15.000 Jahren sind Mensch und Hund ein eingespieltes Team. Heute übernehmen Hunde zahlreiche bedeutsame Aufgaben, zum Beispiel bei Such- und Rettungseinsätzen, als Assistenz für Menschen mit Beeinträchtigungen sowie als Schutz und zum Bewachen von Eigentum. Auf diese Weise leisten Hunde einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit und Lebensqualität unserer Gesellschaft. Die Arbeit mit Hunden stiftet Gemeinschaft, schafft Identität und ist weltweit in ganz unterschiedlichen kulturellen Kontexten verankert.
SPORTHUND: Liebe Patricia, Österreich hat Beiß- und Angriffstrainings bei der Schutzhundeausbildung für Privatpersonen verboten. Das hat die Angst vor einem Verbot in Deutschland geschürt, denn auch hierzulande gibt es kritische Stimmen gegen den IGP-Sport. Wie ist die Situation in Deutschland?
Patricia Knabl: Genau, am 15. April ist in Österreich das Verbot für Beiß- und Angriffstraining bei Hunden in Kraft getreten. Seitdem untersagt die neue Verordnung von Tierschutzminister Johannes Rauch Privatpersonen, ihre Hunde im Training auf Menschen zu hetzen oder aggressive Verhaltensweisen wie Beißen zu fördern. Allerdings werden aus Ministerienkreisen auch andere Stimmen „laut“, welche die Ausübung des Trainings im Rahmen des geregelten Sportes nicht als verboten ansehen. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die Lage in Österreich entwickelt.
In Deutschland ist die Situation ein bisschen anders. Die kritischen Stimmen gegen den Sport kommen nicht aus der Politik, sondern zum großen Teil von gemeinnützigen Organisationen. Einige davon wollen zwar auch ein Verbot des Sportes erreichen, aber beispielsweise Peta e.V. verfolgt das übergeordnete Ziel, dass der Mensch überhaupt keine Haustiere mehr hält. Aus juristischer Sicht gibt es in Deutschland keinen Grund, den Sport zu verbieten. Der IGP-Sport ist hierzulande bereits tierschutzkonform geregelt. da er eine artgerechte Auslastung gewährleistet unterstützt er sogar eine artgerechte und gesunde Haltung der ausübenden Hunde. Wie auch sonst im Leben können einzelne Verfehlungen natürlich auch in diesem Sport nicht ausgeschlossen werden. Für diese Fälle stellt das Gesetz Mittel zur Verfügung, gegen einzelne schwarze Schafe vorzugehen. Ein Verbot des Sportes ist deshalb aber nicht erforderlich. Im Boxen ist es schließlich auch nicht erlaubt, jemandem absichtlich die Nase zu brechen – und dennoch wird der Sport als solcher nicht infrage gestellt. Ein pauschales Verbot ist unnötig und unverhältnismäßig.
SPORTHUND: Deutschland das Gebrauchshundewesen im März als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Wie kann diese Einordnung dem Gebrauchshundesport helfen?
Patricia Knabl: Mein Eindruck ist, dass Hundesport in den letzten Jahrzehnten an gesellschaftlicher Anerkennung verloren hat – sei es, weil tierschutzorientierte Bewegungen dagegen vorgegangen sind, oder weil der Sport einfach als weniger modern gilt und das gesellschaftliche Interesse nachgelassen hat. Die UNESCO-Anerkennung kann den Stellenwert in Deutschland zu einem gewissen Grad wieder erhöhen. Wir hoffen, dass auch viele andere Länder Anträge stellen und diese ebenfalls anerkannt werden. Je internationaler das Ganze wird, desto mehr Gewicht bekommt es natürlich auch.
SPORTHUND: Du bist nicht nur selbst Hundesportlerin, sondern engagierst dich im Rahmen der Initiative K9andSports dafür, den Gebrauchshundesport der breiten Öffentlichkeit bekannter zu machen und die Qualität fähiger und gesunder Arbeitshunde zu erhalten. Was sind die Probleme des Gebrauchshundewesens?
Patricia Knabl: Es gibt viele – das diskutierte Verbot des Gebrauchshundesports ist nur die Spitze des Eisbergs. Das eigentliche Problem liegt tiefer: Der Sport schafft sich selbst ab – ganz ohne Verbot, sondern von innen heraus, weil er in Deutschland drastisch schrumpft. Die IGP-Starterzahlen haben sich in den letzten zehn Jahren fast halbiert; das Niveau war nie hoch. Nachwuchs ist da: das zeigen unsere Camps und Seminare. Doch scheitern viele an geschlossenen Vereinen oder Trainingsgruppen oder auch an veralteten Strukturen. Wir brauchen Offenheit, modernisierte Prüfungsformate, objektivere Bewertungssysteme und damit einhergehend professionalisierte Regelwerke. Sprachlich sollten wir veraltete Begriffe wie „Unterordnung“ überdenken. Für Hundesportler ein lustiges Relikt aus alten Zeiten, stößt die Nomenklatura doch auf Unverständnis bei Außenstehenden und erleichtert jeden medienwirksamen Angriff. Wir müssen Einsteiger gezielt abholen: mit (zusätzlichen) niedrigschwelligen Prüfungen, Jugendmeisterschaften mit leichteren Qualifikations-Bedingungen und gezielter Förderung. In einer Welt, die schon durch die sozialen Medien und Übertragung von Wettkämpfen Transparenz und Fairness fordert, wirkt ein Sport, der auf Einzelleistungen eines Richters basiert, aus der Zeit gefallen. Mehr Objektivität durch mehrere Richter wäre dringend nötig, genauso wie eine Prüfungsordnung, die für Hundeführer wie Richter eindeutig ist. Stand jetzt ist die Prüfungsordnung für ein Regelwerk viel zu offen formuliert. Die Formulierung von Gesetzen und sonstigen Regelwerken ist ein Handwerk, das unabhängig vom Inhalt immer gleich auszuüben ist. Es wäre ein leichtes für eine Arbeitsgruppe von Juristen, die Prüfungsordnung eindeutiger zu formulieren, ohne inhaltlich Einfluss zu nehmen. Erst wenn die Formulierungen so konkret wie möglich sind, kann überhaupt fair und damit im Wesentlichen von jedem Richter gleichgerichtet werden. Als gutes Beispiel kann man sich die Prüfungsordnungen aus dem Dressur-Reiten nehmen. Zuletzt sollten die Wettkämpfe nicht nur für die Starter, sondern auch für Zuschauer und Sponsoren interessant sein. Hier sind im Rahmen der CACIT schon gute Impulse gesetzt worden mit Moderatoren, und Ankündigungen in den sozialen Medien. Wir brauchen Story-Telling rund um den Sport: sonst reißen wir keine Leute mit.
SPORTHUND: Was bedeutet die Anerkennung durch die UNESCO jetzt für dich und die Arbeit von K9andSports?
Patricia Knabl: Vor allem ist es ein Signal: Der Hundesport ist keine Randerscheinung, sondern Teil eines Kulturguts. Auch wenn sie keine direkte rechtliche Wirkung hat, stärkt die Anerkennung unsere Position gegen vorschnelle Verbotsforderungen. An den Zielen und Aktivitäten von K9andSports ändert sich hierdurch nichts. Die Herausforderungen rund um den Gebrauchshund und den Gebrauchshundesport bestehen unverändert weiter und unsere Arbeit geht über Symbolpolitik hinaus. Die rechtliche Absicherung war aber nie das Hauptanliegen von K9andSports. Unsere Arbeit geht deutlich weiter, was man auch auf unserer Website sehen kann. Ein zentraler Punkt ist die Nachwuchsarbeit. Sie ist dringend notwendig, wird aber derzeit nicht in dem Maße betrieben, wie es eigentlich nötig wäre. Dabei geht es nicht primär darum, Interesse am Sport zu wecken; denn dieses besteht bereits. Wir brauchen Strukturen und Anreize, die neue Hundesportler nachrücken lassen. Denn trotz des Interesses berichten viele von Schwierigkeiten, überhaupt in einer Trainingsgruppe aufgenommen zu werden. Sie erhalten immer die gleichen Antworten: die Gruppen seien voll, man wolle bestimmte Rassen nicht oder habe keine Kapazität für Anfänger. Das schreckt Einsteiger ab. Unser Appell: Wir müssen den Sport nicht nur interessant, sondern vor allem zugänglich machen – für alle. Das geht nur verbandsübergreifend und mit klaren Strukturen, damit Interessierte wissen, wohin sie sich wenden können. Da meist nur ehrenamtliche Kapazitäten zur Verfügung stehen, sollte man schon genau schauen, wie man Experten an Land zieht, die sich in ihrem Fachgebiet auskennen. Wir kommen hier nur weiter mit einem kooperierenden Netzwerk. Eine IGP-Kommission des VDH oder FCI hat auch nicht unendliche Kapazitäten, um all die Themen anzugehen, die zu erledigen wären. Begonnen bei offenen Diskussionen um die Prüfungsordnung, die Organisation von Wettkämpfen, das Zusammentrommeln von Ressourcen, wenn es um Jugendcamps geht. Vor allem aber brauchen wir Sportler, die den Nachwuchs ausbilden. Derzeit sind wir mit den verschiedenen Verbänden im Gespräch, ob sie Informationen bereitstellen wollen, wo Nachwuchs-interessierte Trainingsgruppen finden können. Wir versuchen, die Verbände zu bewegen, Jugendmeisterschaften einzuführen, genauso wie Prüfungen, die eine niedrigere Einstiegsschwelle haben. Eine IGP1 ist für einen 15-Jährigen, der nicht aus einem Hundesport-Haushalt kommt, wahrlich eine fast unüberwindbare Hürde. Zusätzliche „kleinere“ Prüfungen wären vielleicht ein wirksames Incentive, überhaupt die Ausbildung mit den Hunden zu beginnen. Allerdings muss die Ausbildung im Hundesport heute nicht mehr zwangsläufig nur im Verein stattfinden. Gerade in Bereichen wie Unterordnung oder Fährte kann man vieles selbst machen. Und es läuft auch immer mehr über Medien – also über Videos oder digitale Anleitungen, oft sogar kostenlos.
SPORTHUND: Woher wisst ihr, dass Jugendliche nach wie vor am Hundesport Interesse haben?
Patricia Knabl: Mich haben pauschale Aussagen wie ‚Es gibt keinen Nachwuchs, das will doch sowieso keiner mehr machen.‘ immer etwas verwundert. Wenn man in den sozialen Netzwerken Inhalte aus dem Hundesport postet, bekommen die oft sehr viel Zuspruch – viele Likes, große Reichweite, sie werden häufig geteilt und zwar vor allem von jungen Leuten. Wir sprechen hier nicht von 20.-30.000 Followern, sondern von einem deutlichen sechs-stelligen Bereich. Wieso gibt es dann keinen Nachwuchs für den Sport? Deshalb haben wir im Jahr 2022 – damals noch nicht im Rahmen von K9andSports, sondern bei IQ Dogsport – ein Youngster Camp für unter 25-Jährige veranstaltet – mit kostenfreiem Zugang, finanziert über Sponsoren. Unsere Hoffnung war, wenigstens 100 junge Menschen zusammenzubekommen. Am Ende mussten wir die Anmeldung nach nur 48 Stunden schließen, weil wir mit über 160 Registrierungen komplett ausgebucht waren.
SPORTHUND: Wie kam euer erstes Camp bei den Jugendlichen an?
Patricia Knabl: Die Resonanz war wirklich beeindruckend. Es waren viele hochmotivierte Leute da – die Jüngste war sechs Jahre alt. Alle standen von morgens bis abends auf dem Platz. Am ersten Tag hat es in Strömen geregnet, und sie haben sich einfach Müllsäcke übergezogen, ein Loch reingeschnitten und sind trotzdem raus. Wir haben Fotos, da sieht man, wie 20 Leute mit auf die Fährte zum Acker gelaufen sind, um sich das anzusehen. Samstagabend hatten wir eine Feier und waren vorher ein bisschen besorgt, ob Alkohol und langes Aufbleiben die Arbeitsbereitschaft am nächsten Morgen vielleicht dämpfen könnten. Aber nichts dergleichen: alle sind früh nach Hause gegangen, weil sie am nächsten Tag fit fürs Training sein wollten. Man hat einfach gesehen: Der Sport an sich – vielleicht nicht in seiner gesamten bisherigen Form, aber im Kern – findet bei jungen Leuten sehr wohl Anklang. Viele von ihnen sind heute noch in den WhatsApp-Gruppen aktiv und halten den Kontakt zu uns.
SPORTHUND: Habt ihr künftige Events geplant?
Patricia Knabl: Im Sommer wird es wieder ein Youngster Camp geben, diesmal zusammen mit einem neuen Format - einem Helfercamp für Interessierte jeden Alters. Dank der Vereine, die uns finanziell unterstützen, können wir deutlich mehr Plätze anbieten. Ich glaube, wir haben mehr als 200 Hunde dabei. Es ist bewusst rasseübergreifend gestaltet – also nicht nur für Leute mit klassischen Gebrauchshunderassen. Jeder, der den IGP-Sport ausprobieren will, ist herzlich willkommen. Dabei muss nicht jeder alle drei Disziplinen machen, sondern wer sich für Nasenarbeit interessiert, testet vielleicht die Fährtenarbeit, und wem die Unterordnung Spaß macht, macht in den entsprechenden Kursen mit. Außerdem verpflichten wir unsere Botschafterinnen und Botschafter, also erfahrene Hundeführerinnen und Hundeführer, bei jedem kommerziellen Seminar kostenlos einen Platz für eine junge Person unter 25 Jahren zur Verfügung zu stellen. Die Teilnahme soll bewusst niederschwellig angelegt sein, damit sich die Jugendlichen einfach anmelden können und testen, welcher Trainingsansatz ihnen überhaupt liegt. Seit Gründung von K9andSports konnten wir dadurch weltweit mehr als 500 Plätze vergeben.
SPORTHUND: Warum habt ihr eine Arbeitsgruppe Wissenschaft aufgebaut?
Patricia Knabl: In unserer Arbeitsgruppe Wissenschaft wollen wir ein wissenschaftliches Fundament aufbauen. Der Diskurs um das Gebrauchshundewesen ist oft emotional. Wir brauchen belastbare Daten, nicht nur Einzelfälle oder alte Statistiken. Ein Beispiel sind Beißstatistiken: immer wieder wird die Doktorarbeit von Roman Mikus zitiert, auch wenn sie bereits 2006 veröffentlicht wurde. Deshalb fördern wir zum Beispiel Studien wie die unseres Botschafters und Tierarzt Dr. Simon Bach: seine Erhebung zeigt, dass sich IGP-ausgebildete Hunde beim Tierarzt besser verhalten. Solche Daten sind wichtig, um unseren Standpunkt erfolgreich zu verteidigen. In diesem Rahmen unterstützen wir auch Studienabsolventen bei Doktor- und Masterarbeiten, indem wir ihnen bei der Anschaffung von Software unter die Arme greifen oder sie in unserem Netzwerk mit geeigneten Ansprechpartnern in Kontakt bringen. Unser Netzwerk bietet einen bunten Mix an Expertise, den unter unseren Botschaftern sind beispielsweise Wissenschaftler, Tierärzte und Diensthundeführer.
SPORTHUND: Was macht K9andSports noch?
Patricia Knabl: Wir versuchen die Bande zwischen Diensthundeführern und Hundesportlern weltweit zu verbessern, zum Vorteil beider Seiten. Dabei geht es insbesondere um die Frage, was ein Gebrauchshund heute für Eigenschaften mitbringen soll, also um die Zucht. Zwar stößt man im Rahmen dieser Arbeit auch an politische Grenzen. Wir haben aber auch gute und offene Diskussionen zu der Frage gehabt, wie man bestimmte Wesenseigenschaften prüfen und fördern kann in der Zucht. Im DMC wurde die Zuchtüberprüfung bereits entsprechend des Feedbacks angepasst; im SV arbeitet man daran, die Belange der Behörden noch besser zu integrieren. Ein Punkt, der mir persönlich noch sehr wichtig ist: Wir versuchen, dass im Gebrauchshundewesen überhaupt wieder effektiver zusammengearbeitet wird. Die ewigen Vereinsstreitigkeiten und Rivalitäten auch innerhalb einer Rasse oder zwischen Dienst- und Sportbereich sollten hintenanstehen, wenn es um eine effektive Modernisierung des Sportes und Gebrauchshundewesens geht, und verbands- und länderübergreifend auf Augenhöhe diskutiert werden. Da der Gebrauchshundesport auch Gegner hat, ist kein Platz für Grabenkämpfe – wir müssen den kleinsten gemeinsamen Nenner finden und gemeinsam vertreten. Deshalb versuchen wir, Botschafter aus verschiedenen Ländern, Verbänden und Bereichen mit ins Boot zu holen – auch Leute, die sich sonst vielleicht nicht einig sind oder sogar mal rechtlich aneinandergeraten sind. Aber am Ende wollen wir ja alle das Gleiche: Den Gebrauchshund erhalten – und den Sport auch.
SPORTHUND: Vielen Dank für das Interview!
![]() Patricia Knabl ist Juristin, führt ihren ersten Sporthund im IGP. Zusammen mit Ehemann Florian und weiteren Unterstützern hat sie „K9andSports“ gegründet. Weitere Informationen über Patricia Knabl auf der Homepage unter https://k9-and-sports.com. |
Einordnung des Gebrauchshundewesens als immaterielles Kulturerbe Im März 2025 hat die UNESCO-Kommission das Gebrauchshundewesen in Deutschland als immaterielles Kulturerbe anerkannt und damit die gezielte Ausbildung von Hunden zur Unterstützung des Menschen als kulturelle Praxis eingeordnet. Die Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis ist ein mehrstufiges Verfahren, an dem die Länder und die Kulturministerkonferenz, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und die Deutsche UNESCO-Kommission beteiligt sind. Den Antrag für das Gebrauchshundewesen hat der Hundesportler und working-dog-Gründer Mathias Dögel zusammen mit der Tierärztin Dr. Sue Chandraratne und Albert Spreu vom RSV gestellt. Weitere Informationen auf der UNESCO-Homepage unter https://www.unesco.de/staette/gebrauchshundewesen. |