Die Größe machts ...?

In den heutigen Zeiten sind kleine Hunde keine Seltenheit mehr im Hundesport – wenn sie auch oft nicht ganz ernst genommen werden. Aber auch die Kleinen können international auf Meisterschaften bestehen. Lina Engelken hat mit ihrer Papillionhündin Cookie an so einer teilgenommen: 2017 UFO Europameisterschaft der Frisbeehunde. 

Der Weg zum richtigen Teampartner war für die Engelkes etwas länger. Der erste Hund, ein Zwergpinscher, „hatte große Angst vor den Scheiben und obwohl sie spielen geliebt hat, hat sie sich lange nicht getraut, in die fliegenden Scheiben zu beißen“, berichtet Lina und führt fort, dass die folgende Aussie-Hündin „es aufgrund ihres allgemeinen Stresslevels nicht geschafft hat, sich außerhalb des Hauses auf Spiel jeglicher Art einzulassen“. Beides keine guten Voraussetzungen, wenn man Frisbeesport machen möchte. Dann kam Border Collie A Me Go, ein völliger Ball-Junkie, mit dem Lina nun erst trainieren musste, dass er nicht völlig durchdreht, wenn er Scheiben sieht. Heute läuft der Rüde mit ihrem Mann ebenfalls auf EM-Niveau. Und Cookie, „die fand die Frisbees von Anfang an toll, nur ich habe es lange nicht geschafft, die Scheiben so für sie zu platzieren, dass sie eine Chance hat, diese zu fangen“. 

Natürlich hätte die physikalische Größe durchaus einen Einfluss auf die Ausbildung: „Einen kleinen Hund spielt man in der Regel nicht so weit, wie einen großen. Auch wenn er nicht unbedingt weniger schnell ist. Die Bögen, die ein kleiner Hund läuft, sind eben auch kleiner und d.h. ich habe viel weniger Zeit, mich für die nächste Scheibe oder einen geplanten Vault oder Over vorzubereiten.“ Ihre Discwürfe erfordern deutlich mehr Geschick und Fingerspitzengefühl, denn auch ein kleiner Hund muss die Scheibe schließlich fangen können. 

Der Charakter entscheidet Rasse, Größe sind egal. Die Motivation ist vom Typ des Hundes abhängig, nicht von seiner Größe. Die Engelkens haben diese Erfahrungen gemacht und auch Nadine Hartlieb sagt: „Mein Mini-Aussie hat die Leidenschaft Agility bis heute nicht für sich entdeckt und es gibt überragende Sportler in ihrer Rasse.“

Nadine Hartlieb mit Pebbles im AgilityNadine Hartlieb, amtierende Team-Vize-Weltmeisterin in der Agility-Large-Klasse, hat mit Chihuahua, Sheltie, Cocker Spaniel und Border Collie schon in allen Größenklassen ihres Sports erfolgreich geführt. Auch für sie bedeutet das, dass sie ihre kleine Spaniel-Hündin viel präziser ausbilden muss, damit sie zuverlässig auf Distanz arbeitet und sie selbst rechtzeitig an den wichtigen Punkten im Parcours helfen kann. Pebbles wendet aufgrund ihrer Körpergröße viel schneller und auch die niedrigeren Sprunghöhen bringen mehr Tempo. 

Aber nicht nur beim Frisbee und im Agility finden sich die Minis: „Eine falsche Bewegung und sie macht eine andere Übung“, erklärt Astrid Voss, DVG-Leistungsrichterin im Rally Obedience. Sie führt eine Tibetterrier-Hündin und eine mittlerweile 12-jährige, berentete Briard-Hündin auf Wettkämpfen. Ihre Erfahrungen ähneln denen von Lina. Ihre kleine Viens Ici ist flink, wendig und reaktionsschnell. Da es im Rally Obedience keine extra Parcours für die Kleinen gibt, nur die Sprünghöhen angepasst werden, haben diese offenbar sogar kleine Vorteile: 

Astrid Voss mit Viens Ici und Mata Hari

 

„Wenn du zum Beispiel schräg in den Vorsitz abrufst, hat der kleine Hund mehr Schritte, um sich gerade auszurichten als der große“, führt Astrid aus. Es sei für ihren größeren Briard etwas schwieriger, mit den Abständen zwischen den Stationen auszukommen. Beide arbeiten gern, aber „die Kleine hat immer die bessere Zeit“.

Eine geringere Größe kann also durchaus auch vorteilhaft sein. „Im Obedience wird erfreulicherweise bei der Bewertung und den Anforderungen auch der Hund und seine Größe berücksichtigt. So zum Beispiel bei der Auswahl des Apportierholzes oder der Höhe der Hürde. So haben wir absolut keine Nachteile“, berichtet Sina Baier. Sie führt den 32 Zentimeter großen Terriermischling Fetz aktiv im Obedience.  

Im Gebrauchshundesport sieht das natürlich anders aus. Ihr Mann, Samuel Baier, ist Schutzdiensthelfer im swhv. Dort trainieren auch Kleinhunde als absolute Exoten in diesem Sport: „Als Helfer muss man ein Maß finden zwischen Ich-arbeite-für-den-Hund und Der-Hund-erfüllt-die-Anforderungen-der-PO. Viele Helfer neigen dazu, kleinen Hunden den Arm entgegen zu strecken. Ich auch. Aber dabei vergessen wir wohl, dass die Kleinen durchaus auch in der Lage sind, den Arm auf normaler Höhe zu erwischen.“ Natürlich seien die Zwerge in der IGP stark benachteiligt, sagt Samuel: „In der Unterordnung stellt die Hürde je nach Körperhöhe durchaus ein Problem dar, vor allem der Rücksprung mit Holz. Auch fällt es einem kleinen Hund sicher schwerer, das 3er Holz zu apportieren. Und im Schutzdienst fallen sie streng genommen sogar ganz raus. 

Eine kurze Flucht muss vereitelt werden und selbst ich, als sehr kleiner und zierlicher Helfer, werde nicht von fünf oder zehn kg Hund gestoppt. 

Da hängt es dann oft stark vom Richter ab, ob es für einen kleinen Hund überhaupt möglich ist, die IGP Prüfungen abzulegen.“ Aufgaben wie Revieren oder kurze Sprinteinheiten absolvieren die kleinen Sportler allerdings oft schneller und gewünscht enger als die großen Kollegen.



Spencer und FetzDas bestätigt auch Sybille Borchardt mit ihrem Jack Russell Terrier: „Spencer liebt es zu rennen. Alles was damit zu tun hat, macht er mit sehr hoher  Geschwindigkeit. Von seiner Schnelligkeit beim Revieren und dem Voraussenden könnte sich manch‘ großer Hund eine Scheibe abschneiden.“ Spencer wird aber hauptsächlich in Fährte und Unterordnung geführt. „Bei der Fährtenarbeit haben wir den Abstand der Schritte zunächst enger gelegt als bei den großen Hunden. Bei der Motivation über Futter muss man beim kleinen Hund allerdings genau überlegen, was man wann, wo und mit wie viel Futter bestätigt. 

Ein kleiner Hund ist im Vergleich zum großen leider einfach viel schneller satt“, schmunzelt Sybille. Die Fährtenarbeit stellte keine besonderen Schwierigkeiten für den quirligen Jack Russell dar. Anspruchsvoll für den Hundeführer wird allerdings der Aufbau der Unterordnung: „Beim Fußlaufen empfinde ich es leichter, einen großen Hund und seine Position aus dem Augenwinkel zu sehen, im Vergleich zum kleineren Spencer.“ 

Diese Erfahrung hat auch Sina Baier in ihrer Lieblingsdisziplin gemacht: „Fußarbeit ist mit einem kleinen Hund deutlich schwieriger. 

Angefangen beim Futtertreiben, was mit massiven Rückenschmerzen einhergehen kann, bis zum Endbild. Man spürt den Hund nicht und man hat ihn weniger auf dem Schirm, weil er aus dem Sichtfeld fällt.“ Ungewollte Körperhilfen oder auch missverständliche Bilder durch Bewegungen wie das Runterbeugen würden aus der „Zwergenperspektive“ manchmal anders verstanden werden als aus Sicht eines Großen. Das erfordere eine gewisse Umstellung. Allerdings hätten kleine Hunde öfter einen „schönen Fokus nach oben, weil die normale Handhaltung für den kleinen Hund ja schon einen Blick nach oben“ nötig mache. Und die nähme man automatisch schneller ein, wenn der Rücken zu schmerzen beginnt. Könnte man fast als Vorteil sehen.

Größe, Gewicht und Schnelligkeit sind in Sachen Verletzungsrisiko indes ein wichtiges Stichwort:

Nadine Hartlieb macht bezüglich der Größe ebenso wenig Unterschiede in der Ausbildung, doch hier merkt sie an: „Wenn ein großer Hund auf dem Steg ins Straucheln kommt, hat er durch die Breite des Stegs bzw. seine größere Galoppade eine geringere Chance, sich zu fangen“.  Aber im Grunde sei es eine Sache vom Körper- und Balancegefühl des Hundes. Auch im Tunnel, der oft kritisch betrachtet wird, sieht Nadine keine erhöhte Gefahr, wenn dieser „korrekt ausgezogen und gut befestigt“ ist. Die Belastung der Pfoten in den Tunneln sei bei einem großen Hund eher gegeben, wenn dieser zu „verrückt“ durchstarte. Sie pauschalisiert: „Aus meiner Sicht ist die Belastung für einen Large-Hund größer als für kleinere Rassen. Was ein Zusammenspiel aus Sprunghöhe und Gewicht ist. Aber jeder Sport, ob für Mensch oder Hund, ist für den Körper in gewisser Form belastend. Deswegen finde ich es sehr wichtig, meine Hunde durch Spaziergänge, schwimmen und Rad fahren fit zu halten.“ Eine gute Grundmuskulatur schützt schließlich auch sie selbst vor Verletzungen.

Bleibt die Frage, ob miniaturbedingt eine erhöhte Verletzungsgefahr durch den Hundeführer besteht. Wenn man gemeinsam im Rausch ist, kann ein Kleiner ja schnell mal „getreten“ werden. Darin sehen Nadine und Lina gar kein Problem. Letztere sagt: „In der Regel lernen kleine Hunde schon im Alltag, gut auf sich aufzupassen und einem nicht zwischen die Beine zu rennen. Das schaffen sie im Sport auch.“

Selbstbeherrschung sei da schon eher ein Problem. „Die Impulskontrolle bei kleinen Hunden zu trainieren dauert meiner Erfahrung nach länger. Sie sind viel hibbeliger. Man muss sich oft überlegen, ob man an der Ruhe oder an der sportlichen Übung arbeitet und das Drumherum managt.“

Dies ist sicher mit deren rassespezifischer Zuchtselektion begründbar, die selten auf Sporttauglichkeit ausgerichtet ist. In Sachen Kondition überschneiden sich die Erfahrungen: die sei bei einem vernünftigen Bewegungspensum im Vergleich teilweise sogar besser als bei den Großen. Außer vielleicht bei langen Distanzen, da haben die Großen mehr „Hubraum“.

Beim Thema Hitzeverträglichkeit scheint das andere Verhältnis zur Körperoberfläche wiederum ein Vorteil zu sein. Lina Engelken berichtet: „Meine kleinen Hunde sind immer weniger hitzeempfindlich, hecheln später, gehen weniger baden als die großen. Aber sie legen sich eben auch direkt in den Trainingspausen in den Schatten und schonen so ihre Ressourcen.“ 

Canicross Teamlauf

Eine Feststellung eint sie jedoch alle: 

Der individuelle Charakter des jeweiligen Hundes bestimmt definitiv die Prioritäten des Trainings!

„Die Größe macht keinen Unterschied bei der Ausbildung oder beim Führen der Hunde im Parcours. Die Dauer bzw. der Weg, einem Hund etwas beizubringen, hängt von dem Charakter, Körpergefühl und Verständnis ab. Die Geschwindigkeit von der Präzision der Ausbildung. Wichtig ist, alles mit viel Spaß und positiver Bestätigung zu betreiben“, so das Fazit von Nadine Hartlieb aus ihrem Erfahrungsschatz mit ihren bunt gemischten Klassen.

Damit fasst sie in treffliche Worte, was wir als Konsens von allen befragten Hundesportlern heraushören konnten: Solange es nicht um ganz spezifische Prüfungsaufgaben aus den jeweiligen Sparten geht, flitzen die Kleinen Nase an Nase mit den Großen! 

Als würden sie uns schelmisch zwinkernd zuflüstern: „Vielleicht lernt ihr Zweibeiner daraus endlich mal, dass es nicht die Größe macht, sondern wie geschickt man damit umgeht.“ 

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