Mentaltraining im Hundesport

Interview mit Jan Dießner

 

Jan Dießner kannte ich bisher nur vom Agility, bin durch Zufall über einen Post zum Thema Mentaltraining gestolpert. Mentaltraining ist bei allen Profi-Sportarten nicht mehr wegzudenken, im Hundesport allerdings ist der Ruf dessen durch mangelnde Qualität eher durchwachsen.

 

 

Steckbrief Jan

Jan, wer bist du? Was hast du bisher gemacht?

Vieles hab ich schon gemacht, aber auf jeden Fall schon immer etwas mit Hunden. Ich war Lehrer und Eheberater, habe Pflegekinder in ihren Pflegefamilien begleitet und als innewohnender Mitarbeiter in einer Inobhutnahme gearbeitet/gelebt. Seit Jahren bin ich Agilitytrainer und seit Anfang des Jahres biete ich Mentaltraining an. Seit Januar 2021 habe ich einen eigenen Podcast und bin seit zwei Jahren im TV unterwegs (Top Dog Germany) … und noch so vieles mehr. 

Ich danke, für die Chance, im Sporthund-Blog mein Mentaltraining vorzustellen! Bezüglich des von dir erwähnten Rufes, möchte ich einleitend anmerken, dass es im Mentaltraining sehr darauf ankommt, dass es zwischenmenschlich zwischen dem, der das Training gibt und dem, der es „nimmt“, passt. Wir haben im Hundesport nur sehr wenige Mentaltrainer. Es ist daher nicht die mangelnde Qualität, sondern die fehlende Anzahl.

In allen Trainings ist es sehr wichtig den für sich „richtigen“ Trainer zu finden, damit das Training effektiv und gewinnbringend verlaufen kann. Ich bin mir sehr sicher, dass jeder, der Mentaltraining anbietet, dies mit bestem Wissen und Gewissen macht. Ich durfte mal lernen: Wer es so macht, dass es allen gefällt, sorgt nur dafür, dass es niemandem gefällt. In diesem Sinne begrüße ich es sehr, wenn Angebote individuell bewertet werden.
Jedes Mentaltraining ist anders und vermittelt unterschiedliche Ansätze und Ziele.

 

Also Schiedsrichter bei RTL TopDog GermanyWie bist du dazu gekommen?

Es ist irgendwie einfach so passiert. Das Leben besteht immer nur aus Chancen, die wir wahrnehmen und eben Chancen, die wir liegen lassen. Ich habe diese Chance sofort genutzt. In meiner Tätigkeit als Agility-Trainer durfte ich in den letzten Jahren sehr, sehr viele Teams kennenlernen und auf ihrem Weg begleiten. Mir ist immer wieder aufgefallen, dass es Hundesportler gibt, die anders sind. Für mich zuerst gar nicht so greifbar und vor allem nicht erklärbar.Hundesportler, die erfolgreicher sind als andere, die mit Fehlern besser umgehen können, bei denen es leichter aussieht, die selbstbewusster und klarer sind, ohne arrogant zu werden und damit umgehen können, wenn es mal nicht so gut läuft und trotzdem nicht den Spaß verlieren. Ich durfte all diese Sportler immer und immer wieder im Training und/oder Seminaren erleben. Irgendwann waren für mich Muster erkennbar, warum das so ist.

In meinem Leben vor dem Agility-Trainer-Dasein habe ich eine Ausbildung zum systemischen Familientherapeuten gemacht und lange Jahre in diesem Bereich gearbeitet. Durch zwei, drei Zufälle traf ich dann auf Mentaltrainer in anderen Sportarten. Nach vielen Gesprächen war mir klar: darüber möchte ich mehr erfahren. Vor allem wollte ich meine erkannten Muster mit Theorien abgleichen und für mich einen Weg finden, „meine“ Sportler zu stärken und ihnen über das Training hinaus etwas geben, was ihnen hilft, noch effektiver und erfolgreicher im Hundesport zu werden.
Also habe ich eine Ausbildung als Mentaltrainer gemacht und biete „mein“ Mentaltraining an.

 

Dein Satz: „Es muss nicht perfekt sein, um stolz zu sein.“
Was heißt das für dich, wenn doch im Hundesport alles perfekt sein soll?

Viele Sportler haben im Laufe der Jahre (und da nehme ich mich selbst kein Stück raus) die Leichtigkeit verloren. Erinnert euch mal an euren ersten Hund. Jeder Schritt wurde gefeiert, jeder Blick, jede Aktion. Mit Spaß wurde alles trainiert und erlernt. Schauen wir uns einen Welpen das erste Mal im Garten an. Der Welpe braucht für 20 Meter zehn Minuten. Jeder Grashalm, jede Blume, jeder Schmetterling, alles ist wichtig und bekommt seine volle Aufmerksamkeit. Ein Welpe ist ausgefüllt auf seiner Entdeckungstour. Dann kommen wir und bringen dem Hund bei, dort wo du gerade bist, ist es nicht „gut“. Wir wollen noch nach …

Genau dieses Phänomen geschieht auch im Verlauf der „Sporthund-Karriere“. Der erste Schritt in einer Übung reicht nicht mehr … Die halbe Übung auch nicht … Eine Übung mit einem Fehler auch nicht … Der Aufstieg in die nächsthöhere Klasse auch nicht … Der Titel "Deutscher Meister" dann irgendwann auch nicht mehr … Wir wollen immer noch mehr. Mehr Kekse … Mehr davon … Mehr davon … 

Wir verlieren den eigentlichen Spaß an der Sache. Wir vergessen, das Spiel einfach nur zu spielen. Daher kam irgendwann mal mein Satz: „Es muss nicht perfekt sein, um stolz zu sein“. Das beginnt weit vorher und das bestimmt man selbst für sich und seinen Hund.

 

Fußlaufen

Woran erkennst du die Mentalität oder nennen wir es die mentale Stärke eines Teams?

Gute Frage. Sie zwingt mich nachzudenken und das, was ich mache, „kurz“ in Worte zu fassen. Das fällt mir deutlich schwerer, als das Machen an sich. Zuerst ist es immer nur mein Bauchgefühl. Ich sehe und erlebe das jeweilige Team und habe dann ein Gefühl. Dann versuche ich es, an Dingen/Aktionen/Gesehenen fest zu machen und zu begründen. Ich schaue, ob mein Gefühl zu dem passt, was real auf dem Platz gerade passiert ist. Hier durfte ich in all den Jahren lernen, dass unser Bauchgefühl immer recht hat und meist nur der Mut fehlt, etwas auszusprechen oder daran zu glauben.

Es sind die Momente, in denen etwas sehr, sehr gut läuft oder eben sehr schlecht, an denen ich meine Einschätzung über die mentale Stärke eines Teams festmachen kann. In sehr emotionalen Momenten fällt bei uns Menschen die Maske. In genau diesen Momenten schaue ich u. a. auf den Umgang mit dem Hund und sich selbst. Es ist so spannend zu sehen bzw. zu hören, was Sportler dann machen und sagen. Sie sprechen aus, was sie in Wahrheit denken.

 

Unterordnung Training MagnetballWie beginnst du das Mentaltraining mit einem Schüler?

Mit dem Verhandeln meiner Gage. Nee, Spaß beiseite … Die inhaltliche Arbeit beginnt immer damit, dass ich sehr intensiv darauf hinweise, dass mein Mentaltraining anstrengend, unbequem und zeitintensiv wird. Wir schauen aber auch oft auf die Dinge, die sehr gut laufen. Es wird alles beleuchtet und in Frage gestellt. Und, ganz wichtig, es bringt rein GAR NICHTS nur etwas von mir durchzulesen oder ein Arbeitsblatt auszufüllen. Es geht um intensive, eigenständige Auseinandersetzung mit den Themen, die man bis dahin (vielleicht) noch nicht mal auf den Schirm hatte.
Oft kommt in unserem Mentaltraining dann die „Aha“- Rückmeldung:
Jan, da war doch mal was …, das fühlte sich gut an, ohne genau zu wissen, was es war, ein gutes Gefühl eben! Und dann sprechen wir genau die Sprache, die wir brauchen, damit Mentaltraining Spaß macht.

 

Hast Du ein Training schon mal abgebrochen, weil es keinen Sinn macht?

Nein. Bevor das Training startet, treffe ich mit meinem Gegenüber eine Vereinbarung und Vereinbarungen sind dazu da, eingehalten zu werden. Wenn es schwierig wird, schauen wir auf das Training und schauen gemeinsam, was verändert werden kann, damit es effektiv wird. Nach außen wirkt es häufig so, als wenn es keinen Sinn macht. Beim genauen Hinsehen wird aber schnell klar, dass wir an der jeweiligen individuellen Grenze sind und genau hier beginnt ja die eigentliche Arbeit. Wenn es keinen Sinn macht, geht es darum zu schauen, warum es keinen Sinn macht.

 

Agility Team

Wie siehst du die Zukunft des Mentaltrainings und die der Hundesportler?

In den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten haben wir es in Deutschland geschafft, uns in allen Hundesportarten in der Weltspitze zu etablieren. Trainingstechnisch haben wir an allen Schrauben gedreht, die es gibt und waren immer offen für Neues. Wir haben uns auf der ganzen Welt angesehen, wie es gehen könnte und es hier in der deutschen Hundesportszene geschafft, ausbildungstechnisch Maßstäbe zu setzen, die heute auf einem Weltklasseniveau sind. Außerdem wurden Zuchtziele erfüllt und zwar immer mehr auf die Stärken zu setzen, die wir für die jeweilige Sportart brauchen. So haben wir heute in den unterschiedlichsten Sportarten sehr prädestinierte Hunde (ein sehr kritisches und ernstes Thema, welches ein Interview für sich füllen würde). Wir als Hundesportler/innen legen immer mehr Wert auf unsere physischen Fähigkeiten. Halten uns körperlich fit und sorgen dafür, nicht mehr der limitierende Faktor im Mensch-Hund-Team zu sein. In Deutschland haben wir die perfekten Bedingungen für den Hundesport geschaffen. Wir schauen uns hierzu nur einmal die Agilityhallen an, unfassbar wie groß die Nachfrage danach ist! Neben all diesen Punkten bleibt einer übrig, das Mentaltraining. Die mentale Einstellung von Mensch und Hund. Ich bin mir fast sicher, dass es die letzte große Schraube ist, an der wir drehen können, um noch besser zu werden. Hundesport professionalisiert sich immer mehr. So ist es mit dem Blick in andere etablierte Sportarten der nächste logische Schritt, das Potential, welches im Mentaltraining liegt, zu erkennen und es im Hundesport normal werden zu lassen.

 

Mentaltraining heißt Energie tanken/vermitteln/trainieren, oder?

Ehrlich sein: Keine Ahnung. Es kommt, glaube ich, etwas darauf an, wie man Energie für sich definiert. Für mich heißt Mentaltraining erst einmal genau hinzusehen und hinzuhören. Alles ist immer schon da. Es muss nur sichtbar gemacht werden. Es geht eigentlich immer um das Thema neben dem Thema. Dieses Thema neben dem Thema zu verbalisieren, es zu benennen und greifbar zu machen. Die meiste Zeit geht es um das Bewusstmachen. Und dann greift der wohl schönste Satz, den ich in meinem Leben lernen durfte:

Verstehen gibt immer nur den Trostpreis. Es geht um das Erleben, das Fühlen und das Machen. Mentaltraining ist immer praktisch.

 

Was reizt dich am meisten an Mentaltraining?

Grenzen verschieben zu dürfen. In all den Jahren, in denen ich meinen Podcast mache, ist ein Satz mehr hängen geblieben als jeder andere: „Das ist vielleicht deine Grenze, aber schon lange nicht mehr meine.“ In diesem Gespräch, durch diesen Satz ist mir auf einen Schlag bewusst geworden, dass Grenzen nicht starr sind. Wir sind diejenigen, die die Grenzen für uns selbst und unseren Hund setzen. Im Mentaltraining kommen wir immer sehr schnell an diese Grenzen. Genau an diesem Punkt beginnt die Arbeit, die ich so sehr liebe. Wir schauen uns diese Grenze an. Egal, welche es ist. Egal in welchem Bereich. Und dann beginnen wir, sie zu verschieben und schaffen dadurch neue, bis dahin nicht vorhandene Möglichkeiten.

 

Mentaltraining ist keine Therapie, wird aber oft damit verwechselt, bzw. es greift dort ein.
Wie gehst du damit um?

In Deutschland ist all dies nicht geschützt. Daher steht es jedem frei, was er oder sie als Mentaltraining anbietet. Wenn wir an dieser Stelle „Wünsch dir was“ spielen würden, dann würde ich mir wünschen, dass jeder, der Mentaltraining anbietet, hier eine ganz klare Grenze zieht. Es hat einen (sehr wahrscheinlich) guten Grund, warum man Psychologie mehrere Jahre studieren muss, bevor man in diesem Bereich arbeiten darf.
Wir „arbeiten“ im Mentaltraining mit Menschen. Es gibt nichts Sensibleres.

Der aktuellen Studienlage zufolge sind etwa 11% der Beratungsanlässe therapeutischer Natur. Statistisch gesehen ist also jeder zehnte Athlet bei mir im Mentaltraining falsch. Dies gilt es zu erkennen, auf Augenhöhe ehrlich anzusprechen und beratend zur Seite zu stehen, was das richtige Setting sein könnte. Es geht niemals um dich als Mentaltrainer und darum, zu schauen, ob du „den Fall auch knacken kannst“, sondern um dein Gegenüber.

 

Gute mentale Einstellung

Wenn du das mentale Ziel mit deinem Schüler erreicht hast, was gibst du ihm mit auf den Weg?

Das erreichen wir nie. Mentaltraining ist wie jedes Training. Es endet nicht. Es verändert sich im Laufe der Zeit. Du wirst auch nicht mit Obedience aufhören, es kommen immer neue Herausforderungen.
Da ich dir diese Frage also nicht beantworten kann, da es keinen Satz am Ende gibt, da es kein Ende gibt, würde ich diese Frage gerne dazu nutzen, um dir zu sagen, was wirklich jeder Sportler von mir gesagt bekommt. Nach einer gewissen Zeit der Zusammenarbeit lade ich jeden Sportler dazu ein, sich mal bei den für ihn wichtigen Menschen zu bedanken. Freunde, Partner und Familie. Unser Umfeld nimmt Vieles immer hin und „leidet“ häufig unter unserem Sportlerdasein. Ein richtiges, ehrliches, von Herzen kommendes Danke ist da mehr als angebracht.

 

 

Was ist dein „No Go“ beim Mentaltraining?

Strategien beizubringen, mit denen ich meinen Gegner schwächen oder verunsichern kann.

 

Was wünscht du dir für den Hundesport?

Wir sollten es als Hundesportszene schaffen, uns so zu entwickeln, dass wir in jedem Moment sagen können, dass wir immer pro Hund trainieren.
Denn der Hund ist unser Freund und nicht unser Sportgerät.

 

Demnächst bei Sporthund:

#SporthundPraxistreff

 

 

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