Zwang ist relativ

 

Geht die Ausbildung im Hundesport ausschließlich über positive Verstärkung?

Klare Antwort: Nein! Artikel zu Ende. 

 

Nein, so einfach mache ich es mir nicht. Werfen wir doch einmal einen differenzierten Blick auf die Sache.

Hundesport steht immer häufiger in der Kritik. Und damit meine ich nicht nur Martin Rütters unqualifizierte Seitenhiebe gegen den Schutzhundesport. Man muss sich nur mal in den sozialen Medien umschauen. Agility macht die Hunde hyperaktiv und ist schädlich für die Gelenke. Beim Obedience laufen die Hunde wie Roboter, und so einen Kadavergehorsam wollen nur Sklaventreiber. Poste irgendwo einen Hund, der exakt und aufmerksam bei Fuß läuft und du kassierst Kommentare wie: „Der verrenkt sich den Hals.“ „Das sieht total unnatürlich aus.“ „Der Hund ist dressiert und total gestresst.“ 

Ja, mit Kritik ist man heutzutage schnell dabei. Mal eben ein paar abwertende Bemerkungen und Beleidigungen in die Tastatur gehackt und schon fühlt man sich moralisch überlegen und hat ein wenig Frust abreagiert. 

Und ganz schnell kommen dann auch Diskussionen über die Ausbildungsmethoden auf. Die Gemeinde derer, die propagieren, dass sie ausschließlich mit positiver Verstärkung arbeiten, ist dabei besonders laut. Das wäre okay, wenn sie einfach nur ihre Meinung vertreten und dann einräumen würden, dass es auch noch andere Wege nach Rom gibt. 

 

„Trainieren statt dominieren“

Oder „Positive Rocks“ sind die griffigen Slogans, mit denen die Vertreter des rein positiven Trainings werben. Aber kann man erfolgreich einen Hund erziehen, Problemhunde resozialisieren, Jagd- und Gebrauchshunde ausbilden, wenn man ausschließlich auf Freiwilligkeit und Konditionieren setzt?

Dass das der richtige Weg ist, kann man zumindest anzweifeln. Denn sobald die Interessen von Mensch und Hund kollidieren, muss ja nun mal einer entscheiden. Und da wäre es schlecht, wenn der Mensch nicht seine Ansprüche durchsetzen könnte und würde.

Kleines Beispiel: Ich gehe mit meinem Rüden spazieren und er bekommt den Geruch einer läufigen Hündin in die Nase. Wenn er sich jetzt entscheidet, meinem konditionierten Rückruf nicht zu folgen, dann hilft hier kein Super-Leckerchen, sondern nur meine Autorität, die ihm klarmacht, dass er jetzt keinen Ausflug auf „Freiers Füßen“ machen kann. Das nennt man situative Dominanz. Und die kommt nicht zustande, wenn man ein „Nein“ kategorisch ablehnt, auf Leinenrucke komplett verzichtet, Handfütterung, also Futter für Training ausschließt und den Hund auch nicht bedrängen oder körperlich einschränken will, wie man auf der Internetseite von „Trainieren statt dominieren“ als verbindliche Regeln nachlesen kann.

Nur damit es keine Missverständnisse gibt: Hundetraining muss gewaltfrei sein! 

 

Aber Zwang ist relativ. 

Er beginnt, wo ich meinen Hund an die Leine nehme und so zwinge bei mir zu bleiben und endet da, wo Hunde geschlagen, getreten, gekniffen, misshandelt werden. Von letzterem möchte ich mich eindeutig distanzieren. Was aber auch klar sein muss, nicht jeder Zwang ist automatisch sofort tierschutzrelevant. Die Dosis macht das Gift. Selbstverständlich sollte man immer nach dem Prinzip vorgehen: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. 

Die Praxis zeigt, dass man sehr viel über positive Verstärkung erreichen kann. Gerade im Hundesport. Ein gut geplanter, kleinschrittiger Trainingsaufbau hilft viele Zwänge zu vermeiden. Und so ist es sicherlich realistisch, dass man 95% über Freiwilligkeit und geschicktes Konditionieren erreichen kann. Die letzten 5% gehen auf das Verhindern von Fehlverhalten, z.B. durch Blockieren mit Körper oder Leine und kleine Korrekturen. 

Schäferhund lernt auch im Schutzdienst die Aufmerksamkeit zum Hundeführer zu halten

Beispiel: Mein Hund hat das Fußlaufen schon sehr gut gelernt, aber im Schutzdienst lässt er sich vom Helfer ablenken. Was soll ich da machen? Da kann ich ihn nur korrigieren. Er hat das Verhalten Fußlaufen in kleinen Schritten mit immer mehr Ablenkung gelernt. Jetzt muss der Fehler auch eine Konsequenz haben. Da der Hund das Verhalten bereits sehr gut gelernt hat, weiß er auch sofort, wie er die Einwirkung zur Korrektur abstellen kann und wird schnell wieder zurück ins erlernte Verhalten wechseln.

Das ist eine Voraussetzung dafür, wann man Korrekturen einsetzen kann. Der Hund muss das Verhalten sicher gelernt haben. Denn nur dann weiß er, was er tun muss, um die Einwirkung abzuschalten. 

Jagdhund nach HasenjagdSolche oder ähnliche Beispiele gibt es in fast allen Hundesportarten. Ich glaube deshalb, dass es nicht möglich ist, einen Hund ausschließlich durch Freiwilligkeit und Konditionieren erfolgreich im Hundesport auszubilden. Es ist auch bezeichnend, dass die Kritiker in der Regel noch nie einen Hund erfolgreich im Sport präsentiert haben. Das Gleiche gilt offenbar auch für die Jagdhundeausbildung. Da bin ich vor kurzem über einen interessanten Facebook Post von Uwe Heiß gestolpert. Er macht folgendes Angebot: Wenn es jemand schafft, einem Jagdhund ausschließlich über Motivation und ohne jeglichen Zwang Hasengehorsam beizubringen, dann erhält derjenige nach aktuellem Stand mehr als 20.000 €. 

Trotz der hohen Summe hat sich bisher niemand gefunden, der die Herausforderung annehmen möchte. Wenn man bedenkt, dass derjenige, dem das gelingen würde, der neue Papst der Hundewelt wäre und er vor allem ja auch den Kampf der Ausbildungsphilosophien gewonnen hätte, ist schon merkwürdig, dass sich niemand an die Sache heranwagt. Es deutet für mich zumindest darauf hin, dass die Szene der Trainer, die komplett auf Zwänge verzichten, berechtigte Sorge hat, an der Aufgabe zu scheitern.

Es klingt nach einem hehren Ziel, auf Zwänge in der Hundeausbildung zu verzichten. Das ist aber nicht nur wenig erfolgversprechend, sondern auch nicht zum Wohle des Hundes. Antiautoritäre Erziehung hat sich schon bei Kindern als Fehler erwiesen und ist auch bei Hunden nicht angebracht. Bei Thomas Baumann habe ich folgendes dazu gefunden: 

„Am meisten Lebensfreude haben weder rein autoritär noch antiautoritär (permissiv) erzogene Hunde. Die höchste Lebensqualität haben erfahrungsgemäß Hunde, die beide Bereiche (kennen)lernen durften und somit die autoritative Erziehung als goldene Mitte zwischen zwei extremen Erziehungsstilen wahrnehmen konnten.“

 

Dem ist von meiner Seite nichts mehr hinzuzufügen. Was meint ihr? Kommentieren und Diskutieren erwünscht.

 

 

 

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  • Biobrüller

    Mir fallen da nur die antiautoritär erzogenen Biobrüller ein...
    Mehr dazu darf ich als Tierarzt nicht sagen, aber als ich mit vierzehn meinen ersten Hund trainiert habe sahen die Trainingsmethoden anders aus - sie waren schnell und effektiv und die Hunde haben keinesfalls einen unglücklichen Eindruck gemacht, obwohl Zwang angewendet wurde - aber wie soll man "Zwang" genau definieren?
    Heute, gut vierzig Jahre später, sind fast nur noch "Wattebällchenschmeißer" am Werk und es gibt so viele 'Problemhunde' wie noch nie. Private Hundeschulen (heute heißt es ja meistens "Dog Academy") schießen wie Pilze aus dem Boden - früher ist man zur Ausbildung auf den Hundeplatz des jeweiligen Vereins gegangen und hat lediglich einen geringen Jahresbeitrag bezahlt.
    Gesetze und Verordnungen, meistens von Leuten mit wenig Ahnung gestrickt, unterstützen diesen Trend. Das ist nicht mehr meine Welt.

    Markus Rogen

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