Krankheitsbild: Ellenbogendysplasie bei Hunden

 

Ein komplexes Krankheitsbild unter die Lupe genommen

Wenn der Hund hinkt, sind viele Halterinnen und Halter nicht zwangsläufig besorgt. Aktive Hunde – vor allem, wenn sie jung und damit noch besonders ungestüm sind – haben sich schnell einfach einmal ein Bein vertreten, was genauso schnell auch wieder gut ist. Spätestens anhaltende oder wiederkehrende Lahmheiten geben dann doch durchaus Anlass zur Sorge, können sie auf ein grundlegenderes Gelenkproblem hindeuten.

Während die HD seit Langem allgemein geläufig ist und zahlreiche Zuchtverbände offiziell ausgewertete Röntgenbefunde für angehende Zuchttiere vorschreiben, wobei klare Ausschlusskriterien gelten, ist die Sache bei der ED weit weniger einfach greifbar. Die Krankheiten, die unter dieser Bezeichnung subsumiert werden, sind so vielfältig wie die beteiligten Knochen. Erschwerend kommt hinzu, dass ED-Krankheitsbilder auch dann vorliegen können, wenn der Hund (noch) keine Lahmheiten zeigt.

 

ED – eine ganze Palette unschöner Möglichkeiten

Das „D“ in HD und ED steht für „Dysplasie“, was zunächst ganz einfach „Fehlbildung“ bedeutet. Sie wird definiert als eine angeborene oder auch erworbene Fehlstellung oder Störung im Bereich der Gelenkflächen oder Wachstumszonen der zum Gelenk gehörenden Knochen. Aus dieser chronischen Entwicklungsstörung des Skeletts entstehen Fehlbelastungen an einzelnen Punkten.

Im Ellbogen ist die Gesamtsituation erheblich komplexer als bei der Hüfte. Beide Gelenke ermöglichen die Bewegung in mehrere Richtungen, doch im Gegensatz zum reinen Kugelgelenk der Hüfte sind am Ellbogen nicht nur drei Knochen beteiligt statt zwei, sondern es besteht auch aus drei einzelnen Gelenken, die sich eine gemeinsame Gelenkkapsel teilen: einem Scharniergelenk zwischen Oberarm und Elle, einem Kugelgelenk zwischen Oberarm und Speiche sowie einem Zapfengelenk zwischen Elle und Speiche. In diesen komplexen Gelenkaufbau ordnen sich drei primäre ED-Krankheitsbilder ein, die in der starken Wachstumsphase junger Hunde entstehen und in deren Folge sich als bleibende Gelenkschäden Arthrosen entwickeln.

 IPA – isolierter Processus anconaeus
Im Ellbogengelenk schließt sich an eine Wachstumsfuge der Zapfenfortsatz an. Ausgelöst zum Beispiel durch Störungen im Längenwachstum der Elle, schließt sich beim IPA die Wachstumsfuge nicht und der Zapfenfortsatz verbleibt lose im Gelenk. In der Folge ist der Ellbogen instabil.

 FCP – fragmentierter Processus coronoideus medialis
Bei ungleichem Längenwachstum von Elle und Speiche – unter Umständen mit Bildung von einer Stufe – passen die Knochen nicht korrekt zueinander, der innenliegende Kronfortsatz der Elle kann sich ablösen. Das Fragment selbst muss nicht unbedingt schmerzhaft sein, verursacht aber Reibung an anderen Knochen.

 OCD – Osteochondrosis dissecans
Durch zu schnelles Wachstum entsteht eine Störung der Knorpelschicht am Oberarm-Ellen-Gelenk. Sie bildet sich zu dick aus, der darunterliegende Knochen beginnt abzusterben. Am innenliegenden Rollhöcker des Oberarms können sich später Knorpel- oder Knochenstücke ablösen und frei im Gelenk schwimmen. Diese sogenannten Gelenkmäuse sind Ursache starker Entzündungen und sehr schmerzhaft.

Weitere ED-auslösende Ursachen sind beispielsweise Inkongruenzen in den Gelenkspalten und insgesamt Knorpelanomalien.

 

Die medizinische Seite

Die ED kann ein- oder beidseitig vorkommen und bereits im späten Welpenalter beginnen, auch wenn sich unter Umständen dann noch gar keine Symptome zeigen. Oft wird die Erkrankung entsprechend auch spät diagnostiziert und eine Therapie dadurch deutlich erschwert.

» Mögliche Symptome
Typischerweise treten die ersten Symptome im Junghundalter auf: Der Hund lahmt plötzlich ohne erkennbaren Auslöser, sowohl phasenweise oder dauerhaft. Er läuft unrund, zeigt Bewegungsunlust und gegebenenfalls geschwollene und warme Gelenke. Beim Aufstehen ist der Hund vielleicht steif und läuft sich erst nach und nach warm. Berührung und Bewegung des Ellbogens sind schmerzhaft, der Hund leckt und knabbert möglicherweise am Gelenk. Er dreht die Vorderpfoten nach außen. Durch die Schonung baut sich die Muskulatur an den Vorderbeinen ab, während sich im Rücken Verspannungen aufbauen.

Roentgenaufnaheme-Ellenbogengelenk» Diagnostik
Bei einer Verdachtsdiagnose ist die Röntgendiagnostik das Mittel der Wahl, wenn sie sich beim sehr jungen Hund auch häufig noch nicht absichern lässt. Da sich durch die Komplexität des Gelenks Knochenstrukturen gegenseitig überlagern und damit die Erkennbarkeit von Schädigungen verhindern können, sind in einigen Fällen zusätzlich CT- oder MRT-Aufnahmen oder auch eine Spiegelung des Gelenks erforderlich: Der IPA ist auf dem Röntgenbild in der Regel gut erkennbar, die OCD häufig schwierig, der FCP oft gar nicht. So hat sich durch Vergleiche von Röntgenaufnahmen mit OP- und CT-Befunden gezeigt, dass bei Erkrankungen des am FCP-Komplex beteiligten Processus coronoideus medialis bereits Veränderungen, die sich im Röntgenbild als sehr gering darstellen, sicher auf eine mittelgradige ED hinweisen. 

» Therapie
ED kennt nicht „die eine“ Therapie. Jede Behandlung ist auf die jeweils zugrundeliegende Erkrankung, ihren Schweregrad und auch das Alter des Hundes abzustimmen. Wird die ED frühzeitig erkannt, empfiehlt sich bei den drei Krankheitskomplexen oft eine Operation. Hierbei werden beschädigte Abschnitte geglättet und abgelöste Fragmente entfernt. Bei der IPA wird gegebenenfalls versucht, das Fragment mit einer Schraube zu fixieren, beim FCP kann auch ein teilweiser Gelenkersatz möglich sein.

Das konservative Behandlungsspektrum der ED umfasst – neben den vorbeugenden Maßnahmen im Hinblick auf gesunde Ernährung und maßvolle Bewegung – vor allem die Gabe von Entzündungshemmern, Schmerzmitteln und Ernährungspräparaten mit einem positiven Einfluss auf die Knorpel- und Gelenkgesundheit und auch die Einbringung von Medikamenten direkt in das Gelenk. Eine gezielte Physiotherapie wird ganz allgemein angeraten. Eine Goldakupunktur scheint bei der ED, im Gegensatz zur HD, wenig erfolgversprechend zu sein.

Generell garantiert keine der Therapiemöglichkeiten, dass der Hund nachhaltig nicht mehr lahmt und schmerzfrei bleibt. Die Prognosen sind je nach Grunderkrankung, Schweregrad und Alter des Hundes äußerst unterschiedlich. Auch nach als erfolgreich einzustufenden Therapien muss damit gerechnet werden, dass sich mit der Zeit Arthrosen im betroffenen Ellbogengelenk entwickeln. Das Beste gegen ED ist daher: die Früherkennung und vor allem die Verhütung. Dafür muss man ihre Ursachen kennen, um zu wissen, wie man gegen diese vorgehen kann.

 

Ursachen und begünstigende Faktoren

ED ist vorwiegend erblich bedingt. Die Genetik ist multifaktoriell, was bedeutet, dass mehr als ein Gen an der Erkrankung beteiligt ist – wobei die Forschung noch nicht alle Gene identifiziert hat. Begünstigt werden das Auftreten und der Verlauf der Krankheit, insbesondere bei genetisch belasteten Hunden, durch körperliche Überbeanspruchung und falsche Ernährung: Zu energiereiches Futter führt zu einem zu schnellen Wachstum, auch ein zu hoher Gehalt an Kalzium oder Vitamin D wirkt sich gegebenenfalls negativ aus.

Am häufigsten tritt die ED bei mittelgroßen bis großen, schnellwüchsigen und/oder schweren Hunderassen auf. Aufgrund ihres schnelleren Wachstums haben die größer werdenden Rüden ein höheres Erkrankungsrisiko als die leichter bleibenden Hündinnen.
Wo immer eine Krankheitsursache vorwiegend genetisch bedingt ist – vor allem bei aufwändigen Therapiemöglichkeiten, die zudem nicht zu einer nachhaltigen Heilung führen – und eine Früherkennung häufig nicht erfolgt, kann der erste Ansatz nur eine gezielte Auswahl der Zuchttiere sein: Theoretisch fallen aus gesunden Eltern auch nur gesunde Nachkommen. Vollständig ausschließen lässt sich aufgrund der natürlichen Varianz allerdings keine Krankheit.

» Maßnahmen der ZuchtverbändeED-Klassifikationen
Die Zuchtverbände sind entsprechend bestrebt, ellbogengesunde Rüden und Hündinnen von nicht gesunden zu unterscheiden und letztere nicht in die Zucht zu bringen. Bereits 1989 gründete sich in den USA die International Elbow Working Group (IEWG). Sie will die Maßnahmen zur Reduzierung dieser Krankheit weltweit koordinieren und hat auch das ED-Klassifikationsschema erstellt, das von den der FCI angeschlossenen Zuchtverbänden zur Beurteilung verwendet wird.

In den Zuchtordnungen des VDH und der einzelnen Verbände ist detailliert geregelt, in welcher Position und aus welchem Winkel die Ellbogen zu röntgen sind und welche Qualitätsanforderungen die Aufnahmen erfüllen müssen. Die Aufnahmen werden von einem Gutachter ausgewertet, der Mitglied der Gesellschaft für Röntgendiagnostik genetisch beeinflusster Skeletterkrankungen bei Kleintieren e. V. (GRSK) ist. Erhebt der Halter Einspruch gegen das Ergebnis, wird ein Obergutachter eingeschaltet.

Während die IEWG empfiehlt, nicht mit Hunden zu züchten, die einen Arthrosebefund aufweisen (also ED I-III), differenziert der VDH in seiner Zuchtordnung von 2018 die ED-Klassen: Hunde mit ED III sind prinzipiell von der Zucht ausgeschlossen. Hunde mit ED II ebenfalls, mit einer Ausnahme: Die Verpaarung von ED II-Hunden ist im Rahmen wissenschaftlich anerkannter und vom VDH genehmigter Zuchtprogramme und dann auch nur mit ED-freien Hunden gestattet. ED I-Hunde sind nicht von der Zucht ausgeschlossen, der VDH empfiehlt jedoch, sie nur mit ED-freien Hunden anzupaaren. Hunde, die als ED 0 oder ED Grenzfall eingestuft sind, können uneingeschränkt in der Zucht eingesetzt werden.

Um die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben und der Regelungen des VDH zu betrachten, sind im Folgenden exemplarisch die Vorgehensweisen von drei Verbänden für vier Rassen beschrieben, die auf Hundeplätzen oder allgemein in der Gesellschaft populär sind: dem Deutschen Schäferhund, dem Golden Retriever und Labrador Retriever sowie dem Airedale Terrier. Das Mindest-Röntgenalter in allen drei Verbänden liegt bei 12 Monaten.

Schaeferhund ED

 Deutscher Schäferhund
Dem Verein für Deutsche Schäferhunde e. V. (SV) angeschlossene Züchter müssen die Ellbogen ihrer angehenden Zuchttiere seit 2013 verpflichtend röntgen, nachdem dies seit 2002 bereits auf freiwilliger Basis erfolgte. Für die Zuchtbewertung „Vorzügliche Auslese“ ist der Befund ED 0 oder ED Grenzfall erforderlich; eine Zuchtzulassung erfolgt auch noch mit der Einstufung ED I. Mittlere und schwere ED sind zuchtausschließend. Darüber hinaus ist kein gesonderter Zuchtplan ersichtlich, wie der SV einen zum Beispiel zur Bekämpfung der HD oder zur Reduzierung der Größe in der Zuchtordnung festgeschrieben hat.

Nach Aussagen des SV werden 9 % der ausgewerteten ED-Röntgenaufnahmen mit ED I-III bewertet und entsprächen damit ungefähr dem HD-Niveau beim Deutschen Schäferhund. Der Verband stuft die Zahlen als durchaus repräsentativ ein. Auf zwei ED-Varianten weist er explizit hin: den IPA und den FCP. Nach klinischen Erfahrungen kommt der IPA mit Abstand am häufigsten beim Deutschen Schäferhund vor, bei anderen prädisponierten Rassen wie dem Berner Sennenhund oder Molossoiden tritt er weitaus seltener auf.

DRC-Retriever

 Golden Retriever, Labrador Retriever
Der Deutsche Retriever Club e. V. (DRC) ist bereits seit langem sehr aktiv, was das Thema ED betrifft: Seit rund 30 Jahren schon besteht die Pflicht, angehende Zuchthunde auf ED zu röntgen. Die häufigste auftretende ED-Form ist der FCP, auch OCD kommt vor; der IPA dagegen ist beim Retriever praktisch unbekannt. Bei beiden Retrieverrassen ist die Zucht mit ED II und III ausgeschlossen. Beim Labrador dürfen Hunde mit ED I nur nach CT-Ausschluss bestimmter ED-Formen züchterisch eingesetzt werden und dann auch nur in Anpaarung mit ED-freien Hunden. Beim Golden sind Hunde mit ED I zur Verpaarung mit ED 0 und ED Grenzfall zur Zucht zugelassen.
Eine kleinen Studie, an der 159 fünfjährige und ältere Golden und Labradore teilgenommen haben, die zweijährig mit ED 0 oder ED I bewertet worden waren, hat deutliche Unterschiede zwischen Labradoren und Golden in der Schweiz gefunden. Darin untersuchte die Vetsuisse Fakultät der Universität Zürich die Veränderungen der Ellbogen im Lebensverlauf. Mit einem zeitlichen Abstand von mindestens drei Jahren sollte geklärt werden, ob die im Alter von zwei Jahren durchgeführte Beurteilung gesunde und nicht gesunde Tiere zuverlässig erkennt. Im Retriever Club Schweiz werden angehende Zuchttiere seit 1995 verpflichtend auf ED geröntgt.

In den 2015 veröffentlichten Ergebnissen zeigten sich bereits deutliche Unterschiede beim ersten Röntgen, bei dem die Ellbogen von im Durchschnitt 86 % der teilnehmenden Labradore und 60% der Retriever als „normal“ eingestuft wurden. Die Unterschiede vergrößerten sich im Lebensverlauf: Bei einem knappen Fünftel der Labradore kam es zu einer Bildung von bzw. Zunahme der Arthrosen, die jedoch zumeist sehr geringgradig waren und häufig auch nicht zu Lahmheiten führten. Bei den Golden zeigte sich bei mehr als zwei Dritteln der Hunde eine Entwicklung von bzw. Verschlechterung von Arthrosen, die teils auch stark ausfielen.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die von ihnen gefundenen Unterschiede zwischen Labrador und Golden nicht zufällig, sondern als sicher anzusehen sind, und dass Golden weit häufiger und schwerwiegender von Arthrose betroffen sind als Labradore. Sie sahen jedoch – für sie überraschend – keine statistisch gesicherten Unterschiede, was die Verschlechterungen von ursprünglich als ED 0 geröntgten Hunden und denen mit ED 1 betrifft. Der Schweregrad einer späteren Arthrose ließ sich also nicht vorhersagen. Auch erlaubte keine der geprüften radiologischen Kriterien, die Hunde frühzeitig zu erkennen, die später Arthrose entwickelten.

 Airedale Terrier
Im Klub für Terrier 1894 e. V. (KfT) gibt es die Pflichtuntersuchung auf ED vor dem Zuchteinsatz für den Airedale Terrier seit 2011; auf freiwilliger Basis wird als einzige weitere Rasse im Verband der Schwarze Russische Terrier auf ED untersucht. Der KfT gestattet laut Zuchtordnung ausschließlich den Einsatz von ED 0, ED Grenzfall und ED I, wobei Hunde mit ED I nur mit ED 0-Hunden verpaart werden dürfen.

In Deutschland kann man, um eine runde Zahl zu nennen, von ungefähr 800 Airedale-Welpen pro Jahr ausgehen (in dieser vergleichsweise kleinen Population gibt es von Jahr zu Jahr durchaus deutliche Schwankungen). Nach Aussagen des KfT werden jährlich etwa 150-200 Airedales und damit ein Anteil eines Jahrgangs von ca. 20 % auf ED untersucht (Schwarzer Russischer Terrier: rund 10%). Unter den untersuchten Airedales werden ungefähr 4 % als ED II oder III eingestuft. Somit haben etwa 96 % der ED-geröntgten Airedales eine so gute Ellbogenqualität, dass sie einem Zuchteinsatz nicht im Wege steht.

» Ein Vergleich

Aus den öffentlich verfügbaren Zahlen sowie denen, die dem Artikel für den Airedale Terrier vorliegen, ergibt sich folgende Übersicht:

Tabelle-ED

Die Zahlen stellen nur eine grobe Vergleichbarkeit her. Bei den Airedales spiegeln die Ergebnisse der im KfT gezüchteten und röntgenologisch ausgewerteten Hunde lediglich die vergangenen 24 Monate wider, die Zahlen der Schäferhunde sind eine Angabe des SV. Der verweist darauf, dass die ED-Häufigkeit beim Deutschen Schäferhund etwa im Bereich der Retriever läge (und etwas niedriger als beim Rottweiler), was anhand der vorliegenden Zahlen jedoch nicht überprüfbar ist: In Zürich wird die Klassifikation „Grenzfall“ nicht verwendet, arthrotische Veränderungen werden auch unterhalb von 2 mm als ED I eingestuft. Die Zahlen der beiden Retrieverrassen entstammen der Schweizer Studie und sind damit ein Schlaglicht für die dortige Population.

Geht man also von einer groben Vergleichbarkeit aus, liegen der Labrador Retriever und der Airedale Terrier nah beieinander, und vermutlich bewegt sich der Deutsche Schäferhund in einem ähnlichen Rahmen. Lediglich der Golden Retriever zeigt einen deutlichen Ausschlag in Richtung häufigerer Fälle.

Ein Blick über den großen Teich zeichnet ein etwas anderes Bild. In den USA erfasst die Orthopedic Foundation for Animals (OFA) seit über 50 Jahren Gesundheitsergebnisse von inzwischen hunderten Hunderassen und unterstützt Forschungsprojekte. In einer Online-Datenbank lassen sich für eine Vielzahl an Erkrankungen die Rassen miteinander vergleichen, und hier liegen der Airedale bei gut 90 % gesunder Ellbogen, der Labrador bei knapp 90 %, der Golden bei 88% und der Deutsche Schäferhund bei 81 %. Ob die Bewertungsmaßstäbe dieser US-Werte vergleichbar sind mit den deutschen (und schweizerischen), muss im Rahmen dieses Artikels offen bleiben. Beeindruckend ist jedoch die Zahl der für diese ED-Statistik ausgewerteten Hunde: Zwischen 1974 und 2020 sind hier zwar lediglich 641 Airedales erfasst, aber 54.596 Deutsche Schäferhunde, 58.073 Golden und sagenhafte 111.662 Labradore.

 

Airedale-Terrier-Luzie» Ein Zuchtwert als Lösung?

Die Einführung eines Zuchtwerts ist seit langem in der Diskussion. Einen solchen für die ED zu ermitteln, wie es ihn für die HD schon lange gibt, stellt sich aufgrund der bei den verschiedenen Rassen meist dünnen Datenlage jedoch schwierig dar. Zu wenige Hunde werden hierfür geröntgt, der Airedale Terrier mit seinen knapp 20% eines Jahrgangs ist da ein gutes Beispiel. Es wird davon ausgegangen, dass für die Erarbeitung eines aussagekräftigen Zuchtwerts mindestens 60 % geröntgt werden müssen. Das ist derzeit nicht erreichbar. 

Zudem müssten die verschiedenen Erkrankungen jeweils für sich berücksichtigt und, aufgrund unterschiedlicher Vererblichkeit, auch deren Gewichtung unterschiedlich eingestuft werden. Auch stellt sich die Frage, auf welche Weise ein bestimmtes Merkmal gemessen wird. Eine Studie an Deutschen Schäferhunden zum Einsatz von Winkelmessungen am Ellbogengelenk beispielsweise, um einen Zusammenhang mit der Ausprägung von Arthrosen herzustellen, deckte zu große Abweichungen in den Messreihen für Winkel desselben Gelenks auf.

Ein schwer einzuschätzender Faktor, der bei der HD immer wieder angeführt wird, ist die Nicht-Auswertung offensichtlich schlechter Röntgenbilder, das heißt, wenn Röntgenbilder sehr offensichtlich einen Krankheitsbefund zeigen und dann gar nicht erst zur Auswertung eingesendet werden, da die zu erwartende Einstufung eine Zuchtverwendung ohnehin ausschließen würde. Diese Krankheitsbefunde fließen entsprechend auch nicht in die Statistiken ein. Der SV sieht diese Praxis bei der ED allerdings als weniger relevant an, da sich die Diagnostik als sehr schwierig darstellt.

Trotz dieser Sachlage schlägt der SV schlägt vor, eine Zuchtwertschätzung zu prüfen, und hat wissenschaftliche Vorstudien für die Umsetzung einer Zuchtwertschätzung unterstützt. Aktuell läuft im DRC eine 2018 gestartete und auf drei Jahre ausgelegte Studie mit dem Ziel, einen genomischen Zuchtwert für die ED zu erarbeiten. Es wird eine große Datenbasis von 2.500 teilnehmenden Hunden anvisiert, um wissenschaftlich fundiert die jeweiligen Röntgenbefunde in Bezug zum Genom und zu den Verwandtschaftsbeziehungen unter den Hunden setzen zu können.

» Wie geht es weiter?
Ohne einen Zuchtwert, an dem objektiv das Merkmal „ED“ sowohl punktuell als auch im Verlauf der Zeit gemessen werden könnte – wie also sieht es mit der Entwicklung innerhalb der Rassen aus? Die OFA-Statistik weist abnehmende ED-Fallzahlen für alle vier Rassen aus, ohne Gründe dafür anzugeben. Die verstärkten Bemühungen von Zuchtverbänden, ED vor der Zuchtverwendung zu erkennen und sich auf erbgesunde Hunde zu konzentrieren, könnte sich hier zeigen: Der Vererbungslehre folgend, ist bei einem erblichen Merkmal generell davon auszugehen, dass die Verpaarung von merkmalsfreien Elterntieren auch zu mehr merkmalsfreien Nachkommen führt, als wenn merkmalsfreie Tiere mit Merkmalsträgern angepaart werden. Die Einschätzungen der Zuchtverbände in Deutschland sind allerdings unterschiedlich.

Der SV sieht bei seiner Rasse eine leichte Tendenz zur Abnahme der ED-Häufigkeit, fasst das aber nicht in öffentliche Zahlen. Eine abnehmende Tendenz würde jedoch auch hier dafür sprechen, dass die Zuchtmaßnahmen greifen. Der DRC beschreibt als einen Grund für die laufende Studie einen sehr langsamen, manchmal sogar aber auch keinen Zuchtfortschritt in Bezug auf die Verbesserung der Ellbogengesundheit. Beim Labrador gab es einen Versuch, durch Zuchtwertobergrenzen eine Verbesserung zu erzielen, durch formale Veränderungen wurde dieser jedoch unterbrochen. Der KfT trifft zu diesem Punkt keine Aussage, da man davon ausgeht, dass die Zahlen möglicherweise nicht repräsentativ für die Population sind; zumindest lassen sie keine Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der Zuchtbeschränkungen zu.

Unter dem Strich kann man feststellen:
Es ist weiterhin die Forschung gefragt, und die ist sehr aktiv. Um züchterisch gezielt gegen einzelne ED-Formen vorgehen zu können, muss teils rassespezifisch klarer werden, welcher Befund eine vererbbare krankhafte Veränderung anzeigt und wie jeweils am besten diagnostiziert werden kann. Hierzu tut sich einiges, ein Beispiel dafür ist die oben angeführte kleine Schweizer Studie mit Labrador und Golden Retrievern. Die Autoren empfehlen beispielsweise, Golden erst später oder später erneut zu röntgen, auch geringste radiologische Veränderungen strenger zu bewerten als bei anderen Rassen und bringen unter anderem ins Spiel, Elterntiere mit besonders vielen erkrankten Nachkommen für die Zucht zu sperren. Diese retrospektiven Ansätze scheinen sich auch an anderer Stelle als mögliche Richtung abzuzeichnen, um das Auftreten von ED nachhaltig zu mindern: Die Autoren der Retriever-Studie beschreiben beim Berner Sennenhund den Einsatz von ED II-Hunden unter strenger Nachzuchtkontrolle – mit ermutigend positiven Ergebnissen. Es scheint, als ob die ED, dieses Bündel unterschiedlicher Erkrankungsbilder, ein noch vielfältigeres Bündel unterschiedlicher Gegenmaßnahmen erfordert, um ihr Auftreten nachhaltig zu reduzieren.

 

  • QUELLEN
  • Allgemein
  • • http://www.grsk.org/informationen-fuer-tierbesitzer-zuechter/was-ist-ed (27.10.2021)
  • • https://www.kft-online.de/_rubric/detail.php?rubric=Bek%E4mpfung+von+Krankheiten&nr=13617 (25.11.2021)
  • • https://www.airedale-kft.de/gesundheit/ellbogendysplasie-ed/ed-allgemein/ (27.10.2021)
  • • https://www.schaeferhunde.de/mein-sv/infothek/der-deutsche-schaeferhund/fragen-zum-dsh/hd-ed/ursachen?sword_list%5B0%5D=ellbogen&no_cache=1 (30.11.2021)
  • • https://drc.de/gesundheit/ellbogengelenksdysplasie (27.10.2021)
  • • https://www.vdh.de/fileadmin/media/ueber/downloads/satzung/2018/Zucht-Ordnung_mit_allen_DFB.pdf (31.10.2021)
  • • https://www.ofa.org/diseases/breed-statistics (30.11.2021)
  • • https://dog-native.de/ellenbogendysplasie-beim-hund/ (27.10.2021)
  • • https://doggy-fitness.de/symptome-ellbogendysplasie/ (27.10.2021)
  • • https://vetevo.de/blogs/ratgeber/frueherkennung-hueftdysplasie-ellenbogendysplasie (27.10.2021)
  • Deutscher Schäferhund
  • • https://www.schaeferhunde.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=1644&token=ec6c822a15fa43da8a756d51bb958adcd24e4892 (27.10.2021)
  • • https://www.schaeferhunde.de/mein-sv/infothek/der-deutsche-schaeferhund/fragen-zum-dsh/hd-ed/rasse-ranking (30.11.2021)
  • • https://www.kleintierklinik-ettlingen.de/diagnostik/therapie/chirurgie/ipa.html (27.10.2021)
  • Labrador und Golden Retriever
  • • http://www.grsk.org/informationen-fuer-tierbesitzer-zuechter/informationen-und-hinweise/item/ellbogendysplasie-bei-retriever-fachartikel (12.11.2021) sowie Informationen des Studienleiters Prof. Dr. med. vet. Mark Flückiger (E-Mail vom 07.12.2021)
  • • https://drc.de/gesundheit/gesundheitsthemen/ellbogenstudie-fuer-golden-labrador (27.10.2021)
  • • https://drc.de/sites/dev.drc.de/files/documents/zolab-20211spaltig.pdf (30.11.2021)
  • • https://drc.de/sites/dev.drc.de/files/documents/zogolden-20191spaltig.pdf (30.11.2021)
  • Airedale Terrier
  • • https://www.kft-online.de/_data/1809-1907KfT-Zuchtordnung_nachMV2018.pdf (30.11.2021)
  • • Monatliche ED-Auswertungsstatistiken von Oktober 2019 bis September 2021, veröffentlicht im KfT-Verbandsmagazin „Der Terrier“ (Ausgaben Dezember 2019 bis November 2021)
  • • Informationen der Klubzuchtwartin des KfT (E-Mail vom 24.11.2021)
  • Andere Rassen (Berner Sennenhund, Rottweiler)
  • • https://www.tg-tierzucht.de/hzucht/publikation/ed_ssv.pdf (31.10.20.21)
  • • https://www.tg-tierzucht.de/hzucht/publikation/gkf_ed.pdf (27.10.2021)

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