FCI IGP Weltmeister Michael Lanthaler im Interview

„Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.“ 

Wat so herrlich nach Berliner Schnauze klingt und vom Leben täglich bestätigt wird, widerlegt Michael Lanthaler. Er zeigt eindrucksvoll, dass man auch mit Bodenständigkeit, Fleiß und Bescheidenheit große Erfolge feiern kann. Michael - wer? Michael Lanthaler! Hattest du ihn etwa nicht auf der Liste? Auch nicht nachdem er letztes Jahr Fünfter bei der FCI WM IGP in Tschechien geworden ist? 

Auch in diesem Jahr konnten Michael und sein Malinois Erco Primus Proeliator schon ihre Klasse unter Beweis stellen. Platz neun auf der FMBB WM. Dass die beiden nicht nur hohe Qualität in der Ausbildung zu bieten haben, sondern meisterhaft abliefern können, zeigten sie dann im September: Beide holten sich den FCI Weltmeistertitel! À la bonne heure!

Der Hundesport schreibt manchmal schöne Geschichten. So kann es gehen: Vom ambitionierten Hundesportler, der mit seinem einzigen Trainingspartner Franz Blasinger in der kleinen Ortsgruppe Eppan vom internationalen Erfolg träumt, hin zum gefeierten Weltmeister! 

„Franz´ Hündin Elly vom Clan der Wölfe war ein halbes Jahr alt, als mein alter Hund gestorben ist. Ich habe Franz damals versprochen, dass ich ihm auf jeden Fall helfen werde, dass er bis zur IGP 3 kommt. Dann wollte ich mir wieder einen Hund zulegen. Und genauso ist es gekommen. Elly hat die Drei gemacht und ich habe Erco zu mir geholt.“ 

Erco Primus Proeliator„Wir haben immer so'n bisschen rumgespaßelt: Vielleicht schaffen wir es irgendwann mal gemeinsam auf die WM.

Aber eins nach dem anderen. Wie jede gute Geschichte hat auch diese eine Einleitung, viele Hindernisse, die der Protagonist überwinden muss und wie bereits erwähnt ein Happy End!

Michael Lanthaler wohnt in Meran und arbeitet als Hotelier im Familienbetrieb und im Winter als Skitrainer. Mit dem Hundesport hat der Siebenunddreißigjährige vor 15 Jahren begonnen. Seiner Ortsgruppe Eppan ist er seitdem treu geblieben. Seinen Weltmeister-Rüden Erco hat Michael im Alter von zwei Jahren übernommen.

 

Wie war der Ausbildungsstand, als du Erco bekommen hast?

Er hatte eine Begleithundeprüfung, war weder in der Unterordnung noch im Schutzdienst nach meinem Stil ausgebildet. Vor allem aber hatte er Probleme in der Fährte. Das war auch der Grund, warum er verkauft wurde. 

 

GruppenarbeitDu hast also noch mal bei „Null“ angefangen? 

„Null“ will ich nicht sagen. Aber ich habe ihn in der Motivation umgelenkt. Er hatte nicht die „feine Schule“ bekommen. Ich kannte Erco aber schon als Welpe und er hat mir bereits damals gut gefallen. Von der Veranlagung her, mal ganz abgesehen von der Ausbildung.

 

Du warst letztes Jahr schon Fünftplatzierter auf der FCI IGP WM 2022. Mit welcher Erwartung bist du diesmal zur WM nach Slowenien gefahren?

Mit dem fünften Platz im letzten Jahr ist für mich schon ein Traum wahr geworden. Ich hätte nie gedacht, dass ich es auf Platz 5 schaffe. Ich habe immer gesagt, wenn ich es mal in die Top 20 der Welt schaffen würde, wäre das für mich schon ein Riesenerfolg. „Wir gehören ja nicht zu den Profis und trainieren auch nicht bei den Profis.“ Aber nach der FCI 2022 ist mir aufgefallen, dass Erco in den Prüfungen recht stabil ist. Er hat immer abgeliefert. Ich habe dann im April Erco auf der FMBB geführt. Da war ich mit unserer Leistung auf dem Platz nicht zufrieden. Trotzdem bin ich noch Neunter geworden. Für die FCI Quali in Italien haben wir daraufhin ein paar Dinge in der Unterordnung verändert. Es war klar, dass ich das Ergebnis nur wiederholen kann, wenn ich mich in der Unterordnung verbessere. Das ist immer unsere Achillesferse. Das Ganze ist aufgegangen und unsere Leistung wurde auf der FCI Quali mit 94 Punkten belohnt.

Um deine Frage zu beantworten… Ich bin nicht mit dem Gedanken nach Slowenien gefahren, dass ich die WM gewinnen könnte. Ich hatte aber die Hoffnung, mich wieder unter den Top Ten platzieren zu können. 

 

Apportieren ErcoWann seid ihr nach Nova Gorica angereist? Habt ihr vor Ort auch noch trainiert?

Wir sind bewusst erst am Sonntagabend angereist. Morgens haben wir noch zuhause trainiert, mittags ging es dann los. Wir haben in der Vorbereitungsphase nur morgens und abends trainiert. Erst in der letzten Woche haben wir ein, zwei Trainings in der Mittagszeit gemacht, wo es wirklich warm war. Ich kenne das vom Sport (Anmerkung: Michael war mal ein Skirennfahrer). Du darfst in Vorbereitungsphasen nicht zu viel in Wettkampfbedingungen gehen, weil das dann auch einen Leistungsabfall bringen kann. Es war für uns wichtig, dass die Hunde topfit nach Slowenien kommen und deshalb haben Franz und ich uns entschieden, dass wir spät anreisen. 

 

 

Heißt das, ihr habt dort gar nicht mehr trainiert?

In Slowenien haben wir nur sehr wenig gemacht. Am Mittwoch ging es ja schon für mich mit dem Schutzdienst los. Da habe ich vorher nur früh morgens ein paar Kontrollübungen mit dem Beißkissen gemacht. Sonst gar nichts. Am nächsten Tag kam die Fährte und am Freitag dann die Unterordnung. Ich habe nachmittags geführt. Morgens haben wir ein ganz lockeres Training gemacht. Auf der FMBB haben wir relativ viel trainiert, auch in der Wettkampfphase. Ich wollte das diesmal anders machen, weil ich denke, dass ist für meinen Hund besser.

 

Gehen wir mal die drei Abteilungen durch. Wie war es für dich in der Fährte?

Die Fährte war die Basis für unseren Erfolg. Die 99 Punkte waren die Voraussetzung dafür, dass wir ganz vorne mitspielen konnten. Mein Glück war, dass unsere Fährte um 8:00 Uhr morgens stattfand. Das war ein klarer Vorteil. Ich war auch bei meinen Teamkollegen mit im Gelände, die um drei, vier Uhr suchen mussten. Das war schon ein Unterschied und anstrengend für die Hunde. Nach der Auslosung habe ich zuerst gedacht, dass ich kein gutes Los gezogen hätte, weil ich ja schon am Freitag komplett fertig war und normalerweise niemand am Freitag Weltmeister wird. Aber da habe ich mich zum Glück getäuscht.

 

VorauslaufenWar dir das Glück auch in der Unterordnung hold?

Es war die beste Unterordnung, die Erco jemals auf einer Prüfung gezeigt hat. Die Stehübung war nicht so perfekt wie sonst im Training. Da war das Timing fürs Kommando nicht gut. Das nehme ich auf meine Kappe. Und beim Apport auf ebener Erde ist das Holz nach dem Werfen aufrecht stehen geblieben. Erco ist drum herumgelaufen und hat es dann aufgenommen. In anderen Wettkämpfen haben wir Punkte verloren, weil Erco die Holzaufnahme sehr direkt gemacht hat, aber beim Rückweg einen Bogen gelaufen ist. Deshalb hatte ich das Training umgestellt. Dem Hund kann ich dafür nicht die Schuld geben. Das war ein Trainingsfehler, den ich gemacht habe. Trotzdem hatte ich auch bei der Unterordnung Glück. Ich durfte nämlich zuerst führen und dann ablegen. Das kam uns bei den heißen Temperaturen definitiv entgegen. Ich war auf jeden Fall mehr als zufrieden, als ich 92 gehört hab. Da wusste ich, dass das Gesamtergebnis 286 Punkte ist. Das haben Erco und ich bisher noch nicht geschafft. Also umso besser, dass es auf der WM geklappt hat. 

 

Kommen wir zum Schutzdienst. Der Richter bemängelt, dass der letzte Griff nicht ganz voll war und Erco beim Transport zu sehr in dich reingedrängt sei.

Ich denke, bis auf diesen letzten Griff gibt es nur sehr wenig zu meckern. Das kann immer mal passieren. Das ist ja ein Hund und keine Maschine. Ich bin sehr, sehr zufrieden mit dem Schutzdienst.

 

Kampfhandlung im SchutzdienstDie 95 Punkte sind für mich ein typisches Freitagsergebnis. Wie siehst du das?

Es war der sechste oder siebte Schutzdienst der Veranstaltung. Für mich persönlich war es ein V. Ich hadere aber nicht mit dem Richterurteil. Wenn man als Weltmeister da noch anfängt rumzunörgeln… Ich sehe das nicht so dramatisch. Natürlich auch, weil das Ergebnis am Ende ja passt. Die Richter und Helfer haben einen guten Job gemacht und alle Hundeführer haben sich kollegial und sportlich verhalten.

 

Wo du das so sagst… Gibt es Leute im Hundesport, die dich inspiriert haben?

Ich habe keine direkten Vorbilder. Klar, man kennt die großen Namen, aber ich habe mir immer alle angeschaut: die tschechische Schule, die deutsche, die französische... Man braucht sehr viel Wissen, um einen Hund gut ausbilden zu können. Für mich war immer klar, ich möchte nicht den Stempel von irgendeiner Schule haben, sondern mein Ding machen. Das heißt natürlich nicht, dass ich das Rad komplett neu erfinde. Ich nehme von allen Systemen das, was ich umsetzen kann. Ich arbeite Erco im Schutzdienst fast immer selber. Oder Franz hält das Beißkissen. Ich musste meinen eigenen Weg finden, weil ich niemanden hatte bzw. nur einen Trainingspartner.

 

Hast du auch über den Tellerrand in Richtung Obedience geschaut?

Das schaue ich mir schon seit zwei Jahren sehr viel an. Wir haben ja in Italien eine Weltmeisterin - Valentina Balli. Die möchte ich unbedingt mal treffen und mit ihr trainieren, aber das hat aus beruflichen Gründen bisher nicht geklappt. 

Auch mit Hundephysiotherapie habe ich mich intensiv beschäftigt. Ich habe mir das beibringen lassen, damit ich es jederzeit anwenden kann. Ich bin selbst geprüfter Sportmasseur. Deshalb konnte ich schnell lernen, wie ich Erco unterstützen konnte. Das sind so Dinge, die mir wichtig sind und unter anderem deshalb ist Erco topfit zur WM angereist.

 

Stellen und VerbellenDas sieht man ihm auch an. Gerade im Schutzdienst ist es sehr beeindruckend, wie er sich in den Kampfhandlungen zeigt. War das von Anfang an so?

Am Anfang seiner Ausbildung gab es Helfer, die haben mir geraten, das wegzumachen. Wenn Erco die Helfer so festgehalten und gekontert hat, war denen das zu viel. Aber für mich war gleich klar: Nein, das bleibt! Das zeichnet diesen Hund aus. Ich denke, früher wurde der Hund unterschätzt. Aber es gibt nicht viele Hunde, die diese Qualität haben. Und das sage ich nicht, weil es mein Hund ist.

Erco ist ein super Familienhund, sehr menschenfreundlich und immer nett zu Kindern. Und wenn du dann siehst, wie er in den Kampfhandlungen agiert, wo er sich mit dem Helfer wirklich auseinandersetzen will. Ich denke, das spricht für den Hund.

  

Auf jeden Fall. Du arbeitest Erco fast ausschließlich selbst im Schutzdienst. Wo sind dabei die Schwierigkeiten?

Die aktive Bewachung ist ausbildungstechnisch kniffelig, weil er dabei ja automatisch in die Aggression wechseln muss und das ist ziemlich schwierig, wenn der eigene Hundeführer der Helfer ist. Ich kriege das ganz gut hin, aber die Trennphase beim lauten "Aus" war auf der FMBB ein Problem, weil Erco da in eine Aggression geht, die dann schwierig zu händeln ist. 

 

Das ist immer eine Frage des Respekts, wenn du das selber trainierst. Dein Hund muss Respekt vor dir haben, aber nicht so viel, dass er nicht trotzdem alles gibt.

Deshalb bin ich besonders stolz auf Ercos Schutzdienst. Denn so wenig Einheiten bei fremden Helfern, ist im Verhältnis sicher nicht normal. Damals als ich die IGP 1 gemacht hab, da hab ich den Hund 99 % selber gehetzt. Ich bin dann am Freitag in die Ortgruppe gefahren, wo die Prüfung stattfand. Dort habe ich dann Freitag und Samstag mit dem Helfer trainiert und sonntags die Prüfung gemacht.

 

Das ist wirklich außergewöhnlich.

Man muss aus den Gegebenheiten, die man hat, das Beste machen.

Ich bin zu einer Zeit in den Hundesport gekommen, wo es mit den Profi-Teams losging. Auch in Italien. Ich war damals noch zu unerfahren und hatte nicht die Möglichkeit, dort mitzutrainieren. Man hört immer den Slogan „Hundesport ist Teamsport“. Aber ich konnte nicht darauf warten, bis irgendein Team für mich Platz hatte. Ich musste mich selbst in die Verantwortung nehmen. Und deshalb bin ich froh, dass ich mit Franz so top gearbeitet habe, dass wir jetzt in den letzten zwei Jahren gemeinsam auf Weltmeisterschaften gehen konnten. Und ich bin richtig stolz drauf, weil wir das Beispiel dafür sind, dass man trotzdem was im Hundesport erreichen kann.

 

Das motiviert vielleicht den ein oder anderen ebenfalls zu sagen: Ich mach mein eigenes Ding. 

Es ist gut, wenn man Vorbilder hat und sich die Profis anschaut und auch mal zwei Tage auf einem Seminar mit ihnen arbeitet. Aber wenn ich dann wieder zu Hause bin, kann ich ja nicht nur Däumchen drehen. Da muss ich was machen, auch wenn ich allein bin. Schau mal, was ich jetzt erreicht hab. Zähne zusammenbeißen, weiterkämpfen! Aufgeben ist keine Option. Und einfach fleißig bleiben. Mit Fleiß kann man sehr viel erreichen.

 

Was hast du für Pläne für die Zukunft?

Ich werde jetzt erstmal Pause machen - aus beruflichen Gründen. Und alles etwas sacken lassen. Natürlich ist die FMBB im nächsten Jahr zuhause in Italien ein Riesenziel. Das wäre ein Traum, da zu starten. Aber das ist noch über ein halbes Jahr bis dahin. Ich kann noch nicht absehen, ob ich genügend Zeit habe, Erco richtig gut vorzubereiten. Das ist der ausschlaggebende Faktor. Für mich ist es wichtig, den Hund so vorzubereiten, dass die Möglichkeit besteht, sein Maximum zu geben. Wenn das so ist, dann werden wir auf jeden Fall an den Start gehen.

 

Nachzucht steht in den StartlöchernAnderes Thema: Auf Ercos working-dog Profil bietest du eingefrorenes Sperma von ihm an. Wie bist du auf die Idee gekommen? 

Ich hatte Anfragen aus Korea und Amerika, da wurde die Idee geboren. In meinem Umfeld haben sehr viele Leute mit Pferden zu tun. In der Pferdezucht ist das üblich. Ich hätte immer gerne von Knut Fuchs' Orcan vom Further Moor einen Nachkommen gehabt. Würde es von dem Top-Rüden gefrorenes Sperma geben, wäre das jetzt gar kein Problem. Es hätte natürlich Vor- und Nachteile, aber ich glaube, es wäre für die Rasse Malinois nicht schlecht, wenn es eine weltweite Samenbank geben würde, weil man dann immer wieder auf alte Blutlinien zurückgreifen könnte.

 

Wie suchst du aus, welchem Züchter du den Service zur Verfügung stellst und wem nicht?

Ich habe bereits mehrfach abgelehnt. Aus einem Grund. Weil es rein kommerzielle Anfragen waren. Das war mir nicht recht. Ich maße mir aber nicht an, wenn jemand zum Decken kommt, zu sagen, deine Hündin ist nicht gut genug. Ich verlange die üblichen Gesundheitschecks. Das gehört dazu. Aber darüber hinaus, mische ich mich nicht ein. Ich war in meinen Anfängen auch auf der anderen Seite, als ich noch nicht der Weltmeister war. 

 

Und ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn du bei den Großen anklopfst und dann die Türe geschlossen bleibt. Und deshalb bin ich da relativ offen und begegne den Leuten ohne Vorurteile.

Ich hatte bisher das Glück, nur positive Rückmeldungen von den Nachzuchten zu bekommen. Und bin sehr froh darüber. Ich hoffe, dass ich vielleicht in ein, zwei Jahren Nachkommen von Erco auch auf der WM sehe. Auf nationaler Ebene werden wir sie sicher bald sehen. Davon bin ich überzeugt. Dieser Hund hat es auf jeden Fall verdient, sich weiter zu vererben und ich habe bei manchen Nachzuchten gesehen, dass er gut vererbt. 

 

Darauf sind wir auch gespannt. Alles Gute für dich und Erco und vielen Dank für das nette Interview.

 

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