Erfolgsgeheimnis Rally Obedience: Drei Leistungsrichter im Interview

Hundesport mit Spaß und Leichtigkeit

 

Jedes Wochenende finden sie statt. Dutzende. Übers ganze Land verteilt. Wovon wir sprechen? Von Rally Obedience Turnieren! Diese Hundesportart hat in den letzten zehn Jahren eine einzigartige Karriere hingelegt und boomt immer noch. Eine Erfolgsstory!

Trotzdem wird Rally Obedience von Akteuren anderer Hundesportarten häufig belächelt. Der Sport wird nicht ernst genommen, weil … sagen wir mal weil dem Hund hier und da Hilfestellung beim Lösen der Aufgaben gegeben werden darf. Was in anderen Hundesportarten verpönt ist und zu Punktabzug führt, ist im Rally Obedience erlaubt: du darfst die ganze Zeit mit deinem Hund sprechen, ihm Körperhilfen geben und ihn sogar an speziellen Stationen füttern. Kein Wunder also, dass da so mancher IGPler oder Obedience-Sportler mit dem Kopf schüttelt. Aber muss Hundesport denn immer bierernst sein? Mit Hardcore-Regeln, akkurat, kleinkariert und mit Leistungsgedanken?

Nein! Rally Obedience hat absolut seine Berechtigung. Der Sport begeistert viele Hundebesitzer gerade deshalb, weil der Einstieg viel einfacher ist, als bei anderen Sportarten. Und wer weiß … Wer sich durch die Einstiegsdroge Rally Obedience anfixen lässt, probiert vielleicht schon bald andere Hundesportarten aus. So profitiert der ganze Hundesport vom Rally Obedience-Boom!

Und ist es nicht auch ein Vorurteil, dass Rally Obedience so leicht ist? Schon mal ausprobiert? Ich war kürzlich beim Sporthund Praxistreff. Da war die Umsetzung der ein oder anderen Übung des Rally Obedience Fun-Parcours für einige Hundesportler durchaus eine Herausforderung. Namen werden natürlich keine genannt. Das bleibt unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit.

Und dann die vielen Schilder … Die muss man sich erstmal alle merken. So ist Rally Obedience quasi Hundesport und Gehirnjogging in Union. Und das kommt in vielen Ländern so gut an, dass laut DVG und VDH im Oktober 2024 die erste Rally Obedience Weltmeisterschaft stattfinden soll.

Im Rally Obedience gibt es auch engagierte Leistungsrichter. Mit drei von ihnen habe ich gesprochen. Wie Astrid Gilbert, Sandra Vonderstein und Dirk Lippmann ihren Lieblingssport sehen erfahrt ihr im folgenden Interview.

Astrid Gilbert, Sandra Vorderstein, Dirk Lippmann

 

Was gefällt Dir am besten an Rally Obedience?

Astrid: Der Abwechslungsreichtum. Kein Parcours, keine Prüfung ist wie die andere. Und natürlich die vielen, vielen Möglichkeiten, mit dem Hund auf bestärkende Weise auch während des Parcours interagieren zu können.

Sandra: Es kann im Prinzip jeder!

Dirk: Mir gefällt am besten die schier unerschöpfliche Menge möglicher Kombinationen von Schildern mit den verschiedensten Schwierigkeitsstufen. Kein Parcours ist wie der andere und jeder hat seinen ganz eigenen Charakter. Ich finde es aber auch schön, dass so viel mit dem Hund kommuniziert werden kann. Es ist wunderbar anzusehen, dass Hunde, die mehr Ansprache benötigen, im Parcours aufblühen und mit Spaß schöne Läufe zeigen können. Weiterhin ist es toll, dass man mit Rally Obedience auch nach einer Karriere in anderen, körperlich anspruchsvolleren Sportarten, noch viel Spaß mit dem Hund haben kann. Dazu gehören ja nicht zwangsläufig Turnierstarts. Man kann auch im reinen Trainingsbetrieb viel mit dem Hund machen.

 

Rally Obedience ist als Sportart nicht mehr wegzudenken. Wann habt ihr damit angefangen?

Astrid: Im Jahr 2016.

Sandra: Ich habe mit meiner alten Hündin Zora 2013 begonnen. 

Dirk: Ich habe im Oktober 2015 mit dem Training angefangen, habe mir zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger alles selbst beigebracht. Damals noch mit meiner Hündin Cindy. Den Ausschlag dafür, dass ich in dieser Sportart mehr erreichen möchte, hat damals ein Seminar bei der ehemaligen Richterin Monika Brzoska gegeben. Da hatte ich sozusagen Blut geleckt. Im April 2016 bin ich zum ersten Mal auf einem Turnier gestartet.

 

Warum seid ihr Richterin/Richter geworden?

Astrid: Weil dieser wundervolle Sport es einfach verdient hat, weiter gefördert und unterstützt zu werden. Ganz persönlich brenne ich wirklich dafür, all diese wundervollen Teams zu sehen und in so vielen Fällen eine ganz großartige, positive Entwicklung miterleben zu dürfen. 

Sandra: Mir gefiel die Sportart sehr gut und es gab viel zu wenige Richter. Ich fand die Art des Richtens so nett. Es ging nicht ums „richten“, sondern um eine nette Art die Leistung zu bewerten. Um die Sportart weiter zu etablieren, habe ich mich beworben.

Dirk: Nach den ersten Turnieren und Gesprächen mit den Richterinnen war ziemlich schnell klar, dass ich das auch machen möchte und dass mir das Spaß machen würde. Damals gab es zusätzlich noch einen akuten Richtermangel, so dass ich die Chance sah, den Sport nach vorne zu bringen und zu fördern. 

 


Rassevielfalt im Rally ObedienceWas war bisher der beste Lauf, den ihr gesehen/gerichtet habt? 

Astrid: „Bester Lauf“, das definiere ich für mich ganz eigen. Da gibt es so viele, an die ich mich an dieser Stelle erinnere. So zum Beispiel die schwer krebskranke junge Frau, die mit ihrem Hund so gerne noch einmal laufen wollte. Man sah so deutlich das tiefe Band zwischen den beiden, das hat tief berührt. (Wie ich erfuhr, hat sie wirklich den Kampf gegen die Krankheit geschafft, so großartig!). Oder ein Lauf mit einer durch Unfall tauben Hündin, das war noch vor Corona. Auch da, so ein tiefes Band zwischen Frauchen und Hund und ein deutliches „Ja“ zueinander. Tief beeindruckt hat mich die so ganz andere, dabei so liebevolle Art, mit dem Hund zu kommunizieren. Ich könnte diese Liste noch ewig weiterführen, und wenn ich so darüber nachdenke, ist das auch einer der Gründe, warum ich diesen wundervollen Sport und seine Sportler so tief ins Herz geschlossen habe.  

Sandra: Was heißt denn bester Lauf? Ich richte jetzt acht Jahre und wenn da nur ein toller Lauf dabei gewesen wäre, wäre es echt dürftig. Ich mag den Großteil aller Läufe: ich liebe es, wenn die Hundeführer auf ihre Hunde Rücksicht nehmen, ich liebe es, wenn die Hundeführer mit ihren Hunden kommunizieren. Ich mag das Strahlen, wenn das Team mit ihrem Lauf zufrieden ist. Ich liebe RO!!

Dirk: Das ist wirklich eine schwere Frage. Es gab im Laufe der Zeit so viele schöne Läufe und leider bleiben bei der Gesamtmenge die wenigsten im Gedächtnis. An einen Lauf erinnere ich mich aber noch ziemlich genau, auch wenn es schlussendlich gar nicht mehr um Punkte ging: Das Turnier war insgesamt total verregnet, so dass ich sogar unterbrechen musste, weil meiner Schreiberin die Zettel unter der Hand wegschwammen. Ein junges Mädchen lief ihren ersten Lauf in der Beginner-Klasse mit einem Hund, der nahezu so groß wie sie selbst war. Die Umstände waren so mies, dass der Hund überhaupt nicht wollte und sie leider auch nicht in der Lage war, den Lauf zu kontrollieren. Am Ende wurde der Wertungslauf abgebrochen und ein NB und Tränen waren die Folge. Nach kurzer Rücksprache mit Veranstalter und Mutter des Mädchens war klar, dass sie am Ende des Feldes noch einmal starten durfte, natürlich ohne Wertung. Ich begleitete sie vom Start bis zum Ziel mit motivierenden Worten und hier und da ein paar Tipps. Das Team zeigte einen sehr schönen zweiten Lauf. Zuletzt gab es tosende Applaus und alle konnten wieder lächeln.

 


Rally Obedience ist eine Hundesportart für alle Rassen, „eigentlich“ stehen alle Chancen gleich, allerdings nicht, wenn die Punktzahl gleich ist. Dann entscheidet die Zeit – wie findet ihr das? Ist das „rassegerecht“?

Astrid: Ja, das ist so ein – aus meiner Sicht – ganz weit verbreiteter Trugschluss im RO. „Ich habe einen schnellen Hund, also habe ich eher Chancen zu gewinnen.“ Die Realität zeigt da allerdings im Querschnitt ein eher ausgeglichenes Bild. Schneller Hund bedeutet auch gleichzeitig – mal ganz nett formuliert - bei der Komplexität der Parcours eine erhöhte Chance, zusätzliche (oder fehlende) Elemente einzubauen - somit Punkte zu verlieren und eben nicht auf den ersten Plätzen zu landen. 

Sandra: Es ist schade, wenn die Zeit entscheidet. Ich finde aber nicht, dass dies was mit der Rasse zu tun haben muss.

Dirk: Meiner Meinung nach gleicht sich das eigentlich ziemlich gut an. Kleinere Hunde haben womöglich in den Übungen selber einen kleinen Vorteil, weil sie z.B. einfach schneller die Positionen einnehmen können. Dafür haben sie eventuell Nachteile zwischen den Stationen wo größere Hunde durch größere Schritte schneller sind. Sicherlich gibt es dazu auch andere Meinungen. Leider kann man es natürlich nie allen 100%ig recht machen oder alle Eventualitäten einplanen. Irgendwie muss trotzdem eine Entscheidung in einem Wettbewerb herbeigeführt werden. Letztendlich sind aber jeder/m Starter*in die Wertungsmodalitäten vorab bekannt und die Entscheidung für einen Start fällt ja niemand anderes.

 

Wenn ihr etwas an der PO ändern dürftet, was wäre das?

Astrid: Eine interessante Frage… manchmal wünsche ich mir eine „B“-Note, um besonders harmonische Läufe noch besser würdigen zu können. Vielleicht wäre dies dann aber nicht mehr objektiv und somit keine valide Punktevergabe. Also: nein, ich würde eher nichts ändern. Das hat schon alles Hand und Fuß. ?

Sandra: Das Regelwerk entwickelt sich immer weiter. Ich kann jetzt nicht ad hoc sagen , dass irgendwas dringend geändert werden muss. Ich finde gut, dass im neuen Regelwerk das Füttern an verkehrter Stelle nicht direkt ein NB ist.

Dirk: Das Regelwerk ist im Großen und Ganzen schon sehr gut und stimmig. Kleinigkeiten gibt es immer und da sind wir im RO ja auch nicht allein mit. Auch hier gilt, dass man es nie allen recht machen kann. Eventuell muss man sich für die Zukunft überlegen, ob man den Richtern mehr disziplinarische Möglichkeiten gibt, da einige Starter sich zuletzt nicht immer 100%ig im Griff hatten. Derzeit sehe ich aber noch keinen Handlungsbedarf. Wenn ich selber etwas ändern dürfte dann kämen mir trotzdem rechtsgeführte Figuren in den Sinn. Das ist so gesehen keine besondere Herausforderung, würde mir persönlich aber gefallen.

 


Seit Anfang 2023 gibt es eine neue Prüfungsordnung, wie ich finde, sehr anspruchsvoll.
Nennt drei Übungen, die besonders schwer und warum?

Astrid: „Schwer“ ist für mich individuell zu betrachten. Ich denke, da würde jedes Team eine eigene Antwort drauf finden. Aus Richterperspektive sind für mich (lt. PO 2022) die Kombinationen in den höheren Klassen sehr interessant. So beispielsweise verschiedene Wechsel der Fußposition verbunden mit Übungen aus Klasse 2 und 3, Ablenkungen oder auch die rechts geführten Winkelübungen. 

Sandra: Puuh eine schwierige Frage, denn jedes Team empfindet „schwer“ anders. Zum Beispiel das Schild 306: wenn der Hund das Rückwärts gehen nicht gut kann, dann ist das schwer. Dann findet der Hundeführer das Schild 228 sicher auch schwer. Wenn der Hund aber sicher im Rückwärtslaufen ist, dann findet der HF die Schilder einfach. Oder wenn der Hund die Futterschalen liebt, dann kriegt der Hundeführer schon schwitzige Hände, wenn er sieht, dass eine Futterablenkung im Parcours ist. Hat der Hund mit Futter nichts am Hut, dann findet der HF die Schilder einfach. Wenn ich meine Parcourspläne baue, haben diese verschiedene Schwerpunkte. Mal die Futterablenkung, mal eine Schwierigkeit mit den Hürden /Pylone, mal liegt die Schwierigkeit in den Mehrschilderübungen (MSÜ). Ich habe gerade eine Lieblings -MSÜ - aber die verrate ich nicht – lach.

Dirk: Bei schwierigen neuen Schildern denke ich vor allem an die 324, also das Schicken zur Pylone. Den Hund von sich wegzuschicken ist eine ganz besondere Herausforderung, die ganz offensichtlich von einigen Teams schwer zu meistern ist. Des Weiteren sehe ich auch die Schilder 230/231 als schwierig an. Hier liegt die Schwierigkeit aber gar nicht an der Ausführung selber sondern an den "Gerüchten", die über die korrekte Ausführung in Umlauf sind und die Starter verunsichern. Als drittes Schild fällt mir noch spontan die neue 208 - Hund umrundet Hundeführer in Bewegung - ein. Mit dem Hund vor den Füßen die Schritte zu sortieren und dabei nicht stehen zu bleiben oder den Hund zu treffen... das ist auch eine Übung, die nicht jeder mal einfach so auf den Platz zaubert.   

 


Habt ihr schon mal ein Seminar in einem anderen Land besucht?

Astrid: Allgemein hundesportspezifisch „Ja“. Es ist für mich wichtig, das eigene Herangehen an Übungen regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen und ab und zu ganz andere Perspektiven einzunehmen, die aber aus meiner Sicht schon dem eigenen Stil entsprechen sollten. Daher empfinde ich externe Trainer sehr häufig als großen Gewinn. Auch besonders mit der Einführung der FCI-Klasse im RO ist dies, so denke ich, im Sinne der Vernetzung unbedingt wichtig. So gab es bereits mehrere Vernetzungsveranstaltungen, an denen auch eine Delegation aus Deutschland selbstverständlich teilgenommen hat. Ich denke, dies wird sich in den nächsten Jahren noch weiter ausbauen. Wir sind da auf einem sehr guten Weg.

Sandra: Martina Klein, Obfrau für Rally Obedience, und ich waren in Tschechien und das hat mega Spaß gemacht. Total nette Teams, super Läufe - das war richtig schön.

Dirk: Nein, leider bin ich dazu noch nicht gekommen, obwohl ich das auch sehr gern machen wollen würde.

 


Rally Obedience vs. Hoopers! Wandern viele Starter „ab“?

Astrid: Nein, das erlebe ich ganz und gar nicht so. Ich mache aktuell eher die Erfahrung, dass Turniere so „voll“ und gut besucht sind, dass ein zweiter Richter angefragt wird, um den Startern genügen zu können. 
Die RO-Sportler, die ich so erlebe, haben einfach große Freude daran, mit ihrem Teampartner Hund auf ganz fröhliche und abwechslungsreiche Weise sportlich aktiv zu sein. Und warum dann nicht auch Hoopers als Chance nutzen? Für mich stehen die Hundesportarten gar nicht in Konkurrenz zueinander. Viel mehr betrachte ich sie als Chance, wirklich gute, abwechslungsreiche Teamarbeit zu fördern.  

Sandra: Nein.

Dirk: Es gibt sehr viele Starter, die beides machen. Ob viele Starter abwandern kann ich gar nicht beurteilen. Es ist mir persönlich jedenfalls nicht aufgefallen, dass sich die Starterzahlen auf RO-Turnieren mit dem Aufkommen von Hoopers signifikant geändert hätten.

 


Was wünscht ihr euch in Zukunft für die Entwicklung von Rally Obedience?

Astrid: Ich wünsche mir auf jeden Fall, dass die gemeinsame Begeisterung der startenden Teams als oberste Priorität bestehen bleibt.

Sandra: Ich wünsche mir, dass RO weiterhin die Hundebesitzer von der Straße abholt. Wir haben dieses Jahr Sport im Park mitgemacht und RO angeboten. Das hat so viel Spaß gemacht und wir haben so nette Leute kennengelernt. Ich wünsche mir die Leichtigkeit und den Spaß dieser Hundeführer 
für alle ROler.

Dirk: Ich wünsche mir, dass wir den "Sport für alle" möglichst lang erhalten können. Auch im RO geht es ja immer mehr um Leistung, die Schwierigkeit steigt kontinuierlich und man kommt immer öfter an einen Punkt, an dem einige Teams aus verschiedensten Gründen einfach nicht mehr starten können oder wollen. Dazu kommt eine zunehmende Verbissenheit der Starter, die sich immer öfter auch negativ, meistens hinter dem Rücken der Richter und anderen Startern, äußert. Diese Entwicklung kann man nicht gut finden. Hier wünsche ich mir, dass eine offene und respektvolle Kommunikation und ein freundliches Miteinander möglich ist. 

  

Vielen Dank Euch Dreien, es bleibt spannend, wie es im Rally Obedience weitergeht und ich freue mich auf die WM 2024! … Man munkelte, sie sei in Finnland … Gerüchte?

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