Wer bist du? Was kannst du?

Wie beeinflusst die Persönlichkeit des Hundes seine Sportkarriere

(Teil 1)

Stehst du gerade vor der Wahl? Zehn Welpen wuseln um dich herum und schauen dich mit großen Augen an. Wie soll man da den richtigen für seinen Sport auswählen? Schlechte Nachricht, alle Ergebnisse, die Welpentests liefern, sind nur Momentaufnahmen und nur in einem Aspekt aussagekräftig: Das Aktivitätslevel scheint die einzige Persönlichkeitsdimension zu sein, die sich aus einem Welpentest vorhersagen lässt. (Riemer et. al. 2014)

Was also tun? Am besten sucht man sich einen guten Züchter und vertraut auf dessen Urteil. Der konnte seine Welpen immerhin acht Wochen lang beobachten und kann deshalb am besten beurteilen, was für ein Potential in den kleinen Möppies steckt. Eine Garantie kann er dir leider nicht geben. Das liegt daran, dass sich die Persönlichkeit erst nach und nach entwickelt. Zwar zeigen Welpen schon einigermaßen beständige Verhaltensmuster, aber die können sich im Prozess des Erwachsenwerdens noch stark verändern. Relativ stabil ist die Persönlichkeit erst nach der Pubertät und auch dann kann sie sich im Lebensverlauf weiterentwickeln.

 

Fussgehen soll harmonisch sein

Persönlichkeitsforschung beim Hund – eine junge Wissenschaft

Die Wissenschaft beschäftigt sich noch nicht sehr lange mit der Persönlichkeit des Hundes. Bis vor gar nicht so langer Zeit wurde ihnen sogar abgesprochen, überhaupt eine Persönlichkeit zu haben. Da wurden Hunde auf Trieb und Instinkt reduziert. Das ist heute nicht mehr haltbar. Wir sollten also auch im Hundesport aufhören, über den „triebigen“ Hund zu sprechen und stattdessen einen differenzierteren Blick auf unseren vierbeinigen Partner werfen.

Egal in welcher Sportart, wir alle wollen einen Hund, der für das brennt, was er da macht. Aber wie kann man die Qualität eines Hundes objektiv beurteilen? Wie unterscheidet sich der gute Arbeitshund von der Lusche, die nur technisches Verhalten abspult?

 

Dafür sind fünf Kriterien wichtig: 

  1. Wie häufig wäre der Hund bereit, das Verhalten zu wiederholen?
  2. Wie hoch ist die Intensität seiner Reaktion? (Wie stark fokussiert der Hund sich auf diese Situation und ist er voll auf seine Aufgabe konzentriert?)
  3. Wie hoch ist die Energie, die er in das Verhalten steckt? (Das kann man an der Muskelspannung erkennen.)
  4. Wie hoch ist die Geschwindigkeit, mit der er die Aufgabe erledigt?
  5. Wie hoch ist die Latenzzeit? (Das ist die Zeit zwischen dem Wahrnehmen eines Reizes und der darauffolgenden Reaktion.)

 

Hinzukommt, dass der Hund eine hohe Arbeitsbereitschaft und gute Trainierbarkeit mitbringen soll. Und das ist auch ein gutes Stichwort. Welche dieser Eigenschaften ist überhaupt trainierbar und welche muss der Hund von seiner Genetik mitbringen? Wollen wir diese Frage beantworten, dann müssen wir uns mit der Persönlichkeit des Hundes beschäftigen.

 

Persönlichkeit = Temperament + Charakter

Die Persönlichkeit des Hundes setzt sich aus seinem Temperament und seinem Charakter zusammen. Dabei steht das Temperament über den Persönlichkeitsmerkmalen des Charakters und beeinflusst sie alle mehr oder weniger.

Im zweiten Teil dieses Blogbeitrages wird es um den Charakter gehen, jetzt schauen wir uns aber zuerst das Temperament an.

 

Australien Shepherd eigenen sich sehr gut für THSWie heißblütig ist Möppie?

Will man es wieder auf eine Formel reduzieren, dann könnte man sagen: 

Temperament = Reaktivität + Selbstregulation

 

Und was heißt das jetzt? Die Reaktivität zeigt auf, wie empfindlich der Hund auf Stressreize reagiert. Wie geht er mit neuen Eindrücken in neuen Situationen um? Die Reaktivität ist weitgehend von der Genetik beeinflusst. Darauf haben wir also wenig Einfluss und müssen mit dem umgehen, was der Hund mitbringt.

Der Gegenspieler der Reaktivität ist die Selbstregulation. Darunter fasst man die Möglichkeiten zur Selbstbeherrschung zusammen, wie man es umgangssprachlich nennen würde - also die Impulskontrolle und die Frustrationstoleranz. Zum Glück sind Impulskontrolle und Frustrationstoleranz gut trainierbar und so haben wir die Möglichkeit, die Reaktivität unseres Hundes zu modellieren. Oder umgekehrt betrachtet: Die Reaktivität gibt das Spielfeld vor, auf dem Impulskontrolle und Frustrationtoleranz das Temperament regulieren können.

Das Schöne - man kann dadurch viel erreichen, aber natürlich hat alles seine Grenzen: Ein aufgeregter Hund, der blitzschnell in hohe Erregungslagen abdriftet, kann durch Training gut händelbar werden, er wird aber im Vergleich immer ein aufgeregter Hund bleiben. Das liegt daran, dass das Stressverhalten hohe angeborene Anteile hat. Nichtsdestotrotz sorgt das Training der Impulskontrolle dafür, dass ein Hund der stark auf Umweltreize reagiert, deutlich weniger Stress empfindet.

 

Riesenschnauzer im Techniktraining SchutzdienstJede Medaille hat zwei Seiten

Ein solcher Hund ist zwar im Alltag schwieriger zu führen, aber in vielen Sportarten suchen wir genau nach solchen Hunden. Mag es beim Spaziergang lästig sein, wenn Möppie jedes fliegende Blatt jagen will, so ist es zum Beispiel im Gebrauchshundesport gewünscht, dass er auf jede Bewegung des Figuranten reagiert. Aber nicht nur da… Auch im Obedience soll der Hund rasant zum Apportierholz rennen, es sofort aufnehmen und schleunigst damit zum Hundeführer zurückkommen.

Um eins noch mal klarzustellen, es geht bei der Reaktivität nicht um hoch oder niedrig, sondern darum, wie ein Hund auf Umwelteinflüsse reagiert. Es gibt zwei Stresssysteme beim Hund. Zum einen das Adrenalinsystem, das in Sekundenschnelle reagiert. Es erhöht die Spannung der Muskeln, die Aufmerksamkeit wird geschärft und sorgt dafür, dass der Hund blitzschnell reagieren kann. Zum anderen gibt es noch das Cortisolsystem. Es reagiert langsamer und mobilisiert die körperlichen und psychischen Reserven, um mit anhaltendem Stress umgehen zu können. Je nachdem welches Stresssystem bei deinem Hund stärker ausgeprägt ist, legt das den Reaktionstyp fest. Dein Hund ist eher proaktiv oder eher reaktiv oder wie ein anderes Konzept es bezeichnet: er ist eher wagemutig oder eher scheu.

Warum schreibe ich so oft „eher“? Weil die allermeisten Hunde sich irgendwo in der Mitte einpendeln, und die können wir im Sport gut gebrauchen. Ebenso die, die leicht in Richtung wagemutig oder proaktiv ausschlagen. Mit Hunden, die an den Extremen angesiedelt sind, wird man im Hundesport – und jetzt benutze ich das Wort zum letzten Mal – „eher“ nicht viel erreichen können.

Schauen wir uns mal die Selbstregulation genauer an. Die Impulskontrolle sorgt dafür, dass ein Hund unerwünschte Handlungen nicht ausführt, dass er eben nicht Nachbars Katze hinterherjagt, den Besuch vor Freude bei der Begrüßung anspringt, dass er nicht den Erzfeind anbellt und keine Löcher im Garten gräbt, obwohl er es gerne tun würde. Du siehst:

 

Impulskontrolle ist nicht gleich Impulskontrolle

Nur weil dein Hund geduldig vor dem Futternapf wartet, bis du ihn freigibst, kann er noch lange keine Dauerablage. In beiden Fällen geht es ums Warten. Beim Futter geht es um einen Belohnungsaufschub, bei der Dauerablage darum, sich nicht von dem anderen Hund ablenken zu lassen und die Trennung vom Hundeführer auszuhalten.

Auch dass der Hund uns seine Aufmerksamkeit schenkt oder sich auf eine Aufgabe fokussiert, verlangt Impulskontrolle, denn dabei muss er anderen Umweltreizen widerstehen. Wir Hundesportler sind da übrigens klar im Vorteil, denn die Aufmerksamkeit gegenüber dem Hundeführer steigt mit zunehmendem Training. Da Aufmerksamkeit die Grundlage für ein erfolgreiches Training ist, ein nicht zu unterschätzender Aspekt.

Schlechte Nachricht: Impulskontrolle ist nicht übertragbar! Du musst sie dir tatsächlich einzeln für die verschiedenen Situationen erarbeiten. Deshalb ist ein Hund vielleicht hervorragend darin, sich im Mondioring bei der Führerverteidigung zu beherrschen, bis das Signal für den Anbiss kommt, läuft aber auf der Hundewiese nach dem Ableinen sofort zu den „Spielkameraden“. Beides sorgt für hohe Erregungslage, aber beim Training auf dem Hundeplatz waren Herrchen oder Frauchen konsequenter als auf der Hundewiese. D.h. Impulskontrolle ist erlernt. Zuerst wird das Verhalten vom Menschen kontrolliert und dann kann daraus Selbstbeherrschung werden.

 

Impulskontrolle im AgilityIst Impulskontrolle endlich?

Reicht sie einfach nicht aus, wenn dein Hund bei vier Hundebegegnungen locker bleibt, aber bei der fünften in die Leine springt und sich aufführt, wie ein Berserker? Klare Antwort: Nein! Es gibt nicht ein bestimmtes Kontingent an Impulskontrolle, das sich über den Tag hinweg verbraucht. Aber warum klappen dann nur vier von fünf Hundebegegnungen? Weil bei jeder Begegnung die Erregungslage steigt. Es werden jedes Mal Stresshormone ausgeschüttet. Hat der Hund zwischen den Begegnungen nicht genug Zeit wieder runterzufahren, summiert sich die Aufregung. Ab einem bestimmten Erregungslevel reicht die vorhandene Impulskontrolle nicht mehr aus, um das steigende Stresslevel abzudecken und der Hund springt in die Leine und bellt. Das Problem kannst du lösen, wenn du die Impulskontrolle deines Hundes in kleinen Schritten nach und nach weiter ausbaust.

Impulskontrolle ist ein wichtiges Persönlichkeitsmerkmal. Ein Hund, der eine gute Impulskontrolle hat, ist besser trainierbar, als einer, dem es daran mangelt. Allein das sollte Grund genug sein, die Impulskontrolle des eigenen Hundes immer weiter zu perfektionieren.

Impulskontrolle ist das wichtigste Regulativ der Reaktivität deines Hundes und hilft dir, sein Temperament zu steuern. Das Temperament wiederum ist die Basis der Persönlichkeit deines Hundes. Es hat, wie du in Teil 2 des Artikels lesen wirst, Einfluss auf Möppies Charakter.

 

 

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